Es klingt nach einem Aufreger-Thema: Finanzminister Lindner will angeblich Leistungen für Langzeitarbeitslose um 600 Millionen Euro kürzen. Doch ganz so einfach ist es nicht.
In den sozialen Medien ist die Empörung groß. Linken-Fraktionschefin Mohammed Ali nennt die Pläne von Finanzminister Lindner "skrupellos". Parteikollegin Katja Kipping kritisiert Kürzungen bei den Ärmsten, angesichts eines "Herbstes der Energiearmut". Und dann gibt es noch Tweets mit Fäkalsprache, am zitierfähigsten ist in diesem Zusammenhang noch das Wort "unsozial".
Doch die Aufregung ist nicht ganz berechtigt.
Der Reihe nach: Der "Spiegel" berichtet, Christian Lindner (FDP) wolle bei Langzeitarbeitslosen sparen. Und zwar bei jenen, die seit mehr als sieben Jahren Hartz IV empfangen und im sogenannten "sozialen Arbeitsmarkt" beschäftigt sind. Das sind Menschen, die oft keinen regulären Job mehr finden. Auch, weil sie krank sind oder Brüche in ihren Biografien haben.
Es geht um 42.000 Langzeitarbeitslose
Diese Menschen bekommen oft einen geförderten Job bei Wohlfahrtsverbänden oder Kommunen. In den ersten beiden Jahren zahlt der Staat 100 Prozent des Lohns. Im fünften und letzten Jahr der Förderung sind es noch 70 Prozent.
Diese Förderung, so der Bericht, wolle Lindner in den kommenden Jahren kürzen. Und zwar um rund 600 Millionen Euro: Im Jahr 2023 von 4,8 auf 4,2 Milliarden Euro.
Bahnt sich da etwa ein Konflikt mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) an? Wieder Krach in der Ampel? Heil hatte den sozialen Arbeitsmarkt vor etwa vier Jahren durchgesetzt - damals noch in der Großen Koalition. Inzwischen werden etwa 42.000 Langzeitarbeitslose auf diese Weise gefördert. Auch durch Workshops und Coachings.
Zumindest 2023 keine Kürzungen geplant
Aus dem Finanzministerium heißt es, für diesen Haushaltsposten sei das Arbeitsministerium selbst zuständig - es gebe da keinen Dissens. Übersetzt: Wenn überhaupt, dann will nicht Christian Lindner Sozialausgaben einsparen, sondern Hubertus Heil. Doch der Arbeitsminister weist den Vorwurf substanzieller Einsparungen zurück:
Im Klartext: Anders als vom Spiegel gemeldet sind laut Heil nächstes Jahr keine Kürzungen geplant. Nach ZDF-Informationen geht die Bundesregierung davon aus, dass 2023 pro Langzeitarbeitslosem sogar etwas mehr Fördergeld zur Verfügung steht.
- Lindner: Neues Entlastungspaket erst 2023
Bundesfinanzminister Lindner will erst im kommenden Jahr ein weiteres Entlastungspaket schnüren. Neue Haushaltsmittel stünden 2022 nicht mehr zur Verfügung.
Offen, was bis 2029 mit Langzeitarbeitslosen passiert
Was danach passiert, ist offen. Zur mittelfristigen Haushaltsplanung äußert sich Christian Lindner nicht. Hubertus Heil verweist aber darauf, dass der Bundestag über künftige Haushalte entscheidet. Er selbst wolle sich dann dafür einsetzen, dass auch in künftigen Haushalten genug Geld für Langzeitarbeitslose zur Verfügung steht.
Übersetzt: Ja, es wäre denkbar, dass bis 2029 Geld für Langzeitarbeitslose eingespart werden soll. Aber entschieden ist das noch nicht. Wenn also Linken-Politikerin Katja Kipping einen Zusammenhang mit dem Herbst 2022 herstellt, ist das zumindest fragwürdig. Und was 2029 passiert - wer weiß das schon?