Die neue Führung wird nicht gemeinsam in den Bundes-Wahlkampf ziehen - heute stellt die Linke ihre Spitzenkandidaten vor. Ansonsten gibt's in der Partei noch jede Menge Baustellen.
Es beginnt so hoffnungsvoll für die Linke in diesem Superwahljahr. Es sollte alles anders und besser werden mit dem frisch gewählten Frauen-Duo an der Spitze der Partei. Janine Wissler, die regelmäßig die Systemfrage stellt und Umverteilung mit Druck der Straße propagiert, zusammen mit Susanne Hennig-Wellsow, die die einstige Protestpartei mit Nachdruck auf die Regierungsbank bringen will. Die sonst so streitgewohnten Linken in ungewohnter Eintracht auf dem Krönungsparteitag im Februar.
Doch dem Aufbruch folgt eine schnelle Ernüchterung. Ende März gleich zwei Wahlen ohne Erfolg. Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz schafft es die Linke nicht einmal in die Parlamente. Und ganz aktuell dümpelt die Partei in der Gunst der Wähler bundesweit zwischen sechs und sieben Prozent. Die Fünf-Prozent-Grenze rückt bedrohlich nahe.
Buch von Sahra Wagenknecht: Zerwürfnis mit der eigenen Partei?
Die Einigkeit und Euphorie des Parteitags ist schnell verflogen, als Sahra Wagenknecht ihr neuestes Buch auf den Markt wirft: "Die Selbstgerechten". Ausgerechnet die prominenteste Linke rechnet mit den sogenannten "Lifestyle-Linken" ab.
Mit denjenigen, denen das Gendern, der Klimaschutz und Migrationsfragen wichtiger seien, als die Sorgen der eigentlichen Klientel der Linkspartei. Wagenknechts Vorwurf: Die Arbeiter würden regelrecht vernachlässigt.
Die Reaktionen lassen erwartungsgemäß nicht lange auf sich warten: Eine Kriegserklärung sei das, sagt Niema Movassat, Mitglied des Bundestags und des Parteivorstands. Seine Forderung: Wagenknecht soll nicht mehr für die Partei antreten. Die prominenteste Linke der Republik - in den eigenen Reihen öffentlich bekämpft.
Alte Flügelkämpfe neu entbrannt: Linke ringen um Geschlossenheit
Alte Flügelkämpfe flammen wieder auf: Reformer gegen Radikale, Jung gegen Alt. Altgediente Gewerkschaftler werden von jungen Bewegungslinken von den Listenplätzen verdrängt.
Die Basis vielerorts erschrocken, wie die Funktionäre das Profil der Linken verändern. Dabei weiß jeder in der Politik, eine Partei kann nur erfolgreich sein, wenn sie nach außen geschlossen auftritt. Ob das nach den jüngsten Ausfällen noch gelingen kann?
Modernisierung und Verjüngung: Neuer Kurs zu Lasten der Kernwählerschaft?
Die Linke, die sich stets das Mantra der sozialen Gerechtigkeit auf die Fahne geschrieben hat, will sich unter der neuen Spitze weiter modernisieren und verjüngen. Offener sein für die Themen der Zeit, für Fragen, die die Öffentlichkeit breiter diskutiert. Doch die innerparteilichen Kritiker werden lauter.
Der neue Kurs gehe zu Lasten der ursprünglichen Sympathisanten und Wähler, heißt es. Viele Menschen, die als Niedriglöhner ihr Auskommen finden müssen, würden sich bei der Linken nicht mehr heimisch fühlen. Ganz zu schweigen von so manchem Facharbeiter und Angestellten, dem der Sinn nicht nach Revolution steht - auch nicht nach einer digitalen. Der Markenkern der Sozialisten scheint zu zerbröseln.
In manchen Regionen hat die AfD die Anhänger übernommen
Besonders dramatisch sieht die Lage der Linkspartei in ihren einstigen Hochburgen aus. Dort, wo früher die Vorgängerpartei PDS hoch im Kurs stand, hat die frühere Volkspartei fast flächendeckend die Hälfte ihrer Anhängerschaft verloren.
Und Regionen, in denen die PDS und spätere Linkspartei ausgerechnet von der AfD beerbt wurde, sind keine Seltenheit. Nicht zu vergessen auch das wachsende Heer derjenigen, die - aus welchen Gründen auch immer - schlicht gar nicht mehr zur Wahl gehen.
Linke verliert vielerorts - nur in Thüringen weiter auf Kurs
Einzige Ausnahme: Thüringen. Dort stellt die Linke mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten. In vier Bundesländern regieren die Roten zumindest noch mit. In den meisten westlichen Bundesländer schaffen sie nicht einmal den Sprung in die Parlamente.
Ob es den Außenseitern noch einmal gelingt, das Ruder herumzuwerfen? An Themenfeldern mangelt es zumindest nicht. Da ist vor allem die lang anhaltende Pandemie, die die Republik bis ins Mark erschüttert. An die Stelle von lieb gewonnenen Gewissheiten tritt eine zunehmende Verunsicherung. Doch so recht weiß das Duo Wissler/Hennig-Wellsow diesen abrupten Wandel nicht für sich zu nutzen.
- Hennig-Wellsow: Nein zur Spitzenkandidatur
Die Bundesvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, will nicht als Spitzenkandidatin für ihre Partei in die Bundestagswahl im September gehen.