Lötzsch gegen Ausschluss Wagenknechts aus der Linken

    Interview

    Ehemalige Linken-Chefin:Lötzsch gegen Ausschluss Wagenknechts

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    Die ehemalige Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch will Sahra Wagenknecht in der Partei halten. Am derzeitigen Streit sei nicht nur Wagenknecht schuld, sondern auch die Partei-Spitze.

    Interview mit Gesine Lötzsch
    Gesine Lötzsch im ZDFheute-Interview: "Ich finde, Sahra Wagenknecht sollte sich in der Linken engagieren."
    Quelle: phoenix

    ZDFheute: Frau Lötzsch, momentan wird sehr viel über die Linke gesprochen. Allerdings eher als Chaos-Haufen und darüber, was bei Ihnen gerade passiert. Was macht das mit Ihnen?
    Gesine Lötzsch: Das tut mir natürlich in der Seele weh, denn wir haben ja wichtige Themen. Ich sehe für die Linke drei zentrale Themen. Da ist einmal die Frage der sozialen Gerechtigkeit. Und da gehört der Erhalt der natürlichen Umwelt dazu.

    Von der Zerstörung des Klimas sind vor allem Menschen betroffen, die am wenigsten Geld haben - national wie international.

    Gesine Lötzsch, Linke

    Dann haben wir eine wichtige Aufgabe, uns um die Friedenspolitik zu kümmern. Und das dritte ist, die Interessen des Ostens zu vertreten. Da haben wir ziemlich viel nachzuholen.

    Gesine Lötzsch ist Abgeordnete des Deutschen Bundestags und ehemalige Vorsitzende der Linken. Sie ist eine von drei direkt gewählten Abgeordneten ihrer Partei. Nur wegen dieser drei Direktmandate ist die Linke trotz ihres Ergebnisses von 4,9 Prozent bei der vergangenen Bundestagswahl als Fraktion ins Parlament eingezogen.

    ZDFheute: Das, was Sie aufzählen, dringt momentan überhaupt nicht durch. Es wird nur über Sahra Wagenknecht gesprochen. Sie hat angekündigt, eventuell eine neue Partei gründen zu wollen. Wäre das was für Sie?
    Lötzsch: Ich bleibe in jedem Fall in der Linken. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, in meinem Leben nach so langen Jahren in der Linken in eine andere Partei zu gehen. Ich habe einen ganz anderen Punkt:

    Ich finde, Sahra Wagenknecht sollte sich in der Linken engagieren.

    Gesine Lötzsch, Linke

    Wir müssen alles dafür tun, dass wir Kompromisse finden. Als ich Parteivorsitzende war hatten wir den komplizierten Prozess, ein neues Grundsatzprogramm zu schreiben. Sahra Wagenknecht war damals eine meiner Stellvertreterinnen und natürlich haben wir da auch lange um Kompromisse gerungen. Mir ging es nie darum, jemanden aus der Partei rauszudrängen.
    Sahra Wagenknecht, Spitzenkandidatin der Linken in NRW.
    Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht erwägt die Gründung einer neuen Partei. Bis Ende 2023 müsse in dieser Frage Klarheit herrschen, sagt sie ZDFheute.19.03.2023 | 0:34 min
    ZDFheute: Schmerzt es Sie, dass Sahra Wagenknecht einen Keil in die Partei treibt?
    Lötzsch: Ich würde keine einseitige Schuldzuweisung auf Sahra Wagenknecht machen. Sahra Wagenknecht hat eine sehr große Möglichkeit, öffentlich zu wirken und für die Ziele unserer Partei einzutreten.

    Und natürlich gibt es Dinge, wo man sagen kann: Hier hätte die Partei Sahra Wagenknecht unterstützen müssen.

    Gesine Lötzsch, Linke

    Ich erinnere an die große Friedensdemonstration am Brandenburger Tor. Da gab es ja zum Beispiel auch eine eindeutige Unterstützung von Gregor Gysi. Er hat gesagt, das ist unsere Chance.
    Und wenn ich mir anschaue, wer alles dieses Manifest unterschrieben hat, dann sind das zum Beispiel unsere Kandidaten für die Bundespräsidentschaft, Christoph Butterwegge und Gerhart Trabert oder auch auch Romani Rose. Das sind Menschen, hinter denen sich die Partei meiner Meinung nach hätte versammeln können.
    ZDFheute: Der ehemalige Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger hingegen fordert, Sahra Wagenknecht müsse aus Partei und Fraktion ausgeschlossen werden. Was halten Sie davon?
    Lötzsch: Ich bin strikt gegen Ausschlüsse. Das sind Methoden, die uns überhaupt nicht weiterbringen. Eine Partei, die die Gesellschaft grundsätzlich verändern will und die im Augenblick bei fünf Prozent steht, muss beweisen, dass sie in der Lage ist, interne Konflikte anständig inhaltlich zu lösen.
    ZDFheute: Sie haben in Berlin-Lichtenberg ein Direktmandat für die Linke gewonnen, damit sind Sie eine Lebensretterin für die Linke. Was macht das mit Ihnen, wenn Sie sehen, wie der Streit Ihre Partei zerreißt?
    Lötzsch: Ich habe in der Tat sechsmal das Direktmandat gewonnen und damit der Partei zweimal die parlamentarische Existenz gerettet. Wir haben in der Partei eine Arbeitsteilung und ich bin der Auffassung, jeder sollte das machen, was er am besten kann.
    Leute, die besonders gut auf Kundgebungen sprechen können oder in Talkshows Wirkung erzielen, sollten das tun. Man sollte ihnen nicht vorwerfen, dass sie irgendwo nicht gesessen haben, um zu klatschen.
    Das Interview führte Andreas Huppert