Im Russland-Ukraine-Konflikt stehen linke Abgeordnete öffentlichkeitswirksam an der Seite Moskaus. Verständnis für Putin ist in Teilen der Partei noch immer hoch im Kurs.
Sie reisen als "investigative Abgeordnete" nach Moskau wie Andrej Hunko - sie beklagen eine "antirussische Kriegshetze" wie Sevim Dagdelen - sie verteidigen Putins Bedürfnis nach einem "Sicherheitsabstand" im Bundestag wie Gregor Gysi - sie erklären Putins Sicherheitsinteressen in Talkshows wie Sahra Wagenknecht.
"Putin verstehen" gehört für viele linke Abgeordnete zur linken DNA wie die Feindbilder Nato und USA. Wer sie im aktuellen Konflikt über Russland reden hört, hört viel über westliche "Propaganda", über die "Kriegstreiberei" der Nato, über russische Sicherheitsinteressen. Und wenig über Russlands Einmarsch in Georgien, die Annexion der Krim, den Krieg in der Ostukraine.
Linkes Weltbild im aktuellen Konflikt
"Die Aggressivität, mit der die Amerikaner einen russischen Angriff herbeireden, ist fast schon beschwörerisch", sagt Sahra Wagenknecht an diesem Sonntag zur besten Sendezeit bei "Anne Will" - und liefert damit die Blaupause für die Argumentation linker Außenpolitiker:
Die Mobilmachung auf russischer Seite, die Aggressionen gegen die Ukraine sind vor allem russische "Reaktion" auf die Aggression der anderen. Wenn es Krieg gibt, dann wurde er quasi vom Westen herbeigelogen.
Schon am Freitag ist die Obfrau der Linken im Auswärtigen Ausschuss, Sevim Dagdelen, bei einer Friedensdemo für die "Sicherheit Russlands" vor dem Brandenburger Tor in Berlin aufgetreten. Auf Plakaten stand "Nato raus" oder "Stoppt den Kriegskurs der Nato-Staaten". 500 Teilnehmer waren gekommen, darunter auch die Linken-Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch und Andrej Hunko.
Rhetorisch gelang Dagdelen diese Argumentation, indem sie russische Aggression durch Begriffe wie "vielleicht" entschärfte. Dass Putin rund 180.000 Soldaten an der ukrainischen Grenze zusammengezogen hat, dazu etwa sagte Dagdelen: "Vielleicht ist es bedrohlich" oder:"Kann sein, dass es bedrohlich wirkt."
Aber "dass der Russe den Krieg will und Aggressor ist" - das sei nichts anderes als die Behauptung westlicher "Informationspolitik", es werde "gelogen, bis sich die Balken biegen". Den "Truppen in Washington" dürfe man "nicht trauen", so Dagdelen. Und redete ganze 20 Minuten über "Kriegshetze", "Kriegstreiberei", "False Flag Operationen" - des Westens.
Schwere Vorwürfe gegen den Westen
Auf der Webseite des russischen Staatssenders "RT Deutsch" bekommen linke Putin-Versteher immer wieder große Schlagzeilen. Ob Dagdelens Rede oder Wagenknechts Talkshow-Auftritt - "RT Deutsch" widmet den Ereignissen ganze Artikel. Ein Problem mit "RT Deutsch", dem vorgeworfen wird, die Demokratie in Deutschland destabilisieren zu wollen, scheint Dagdelen nicht zu haben, sie gibt dem Kreml-Sender auch Interviews.
Gegen die deutsche Presse dagegen erhebt Sevim Dagdelen bei der Kundgebung am Freitag schwere Vorwürfe: "Es ist erschreckend, dass man eins zu eins die Lügenmärchen des US-Geheimdienstes im Blätterwald der deutscher Presselandschaft gesehen hat, ungefragt einfach so übernommen. Ja sind wir denn in einem totalitären Staat, dass man von Regierungen eins zu eins die Informationen abdruckt?"
Auch im "Informationskrieg" sind für Dagdelen die Fronten klar: Opfer von Propaganda und Lügen sind im aktuellen Konflikt vor allem die Russen. Nicht Russland erscheint so als autoritäres System, in dem politische Gegner und die Meinungsfreiheit unterdrückt werden - sondern der Westen.
Parteichefin distanziert sich von Putin-Verstehern
Nicht alle in der Linkspartei wollen "Putin-Versteher" sein. Eine jüngere Generation im Parteivorstand geht auf Distanz zu Mitgliedern der Fraktion. Niema Movassat, Mitglied des Parteivorstandes, twittert: "Aber die USA" ist übrigens keine Rechtfertigung für russische Aggression. Ganz im Gegenteil - es macht Kritik an US-Kriegen scheinheilig, wenn man bei Russland wegschaut.
Auf die Frage von ZDFheute, wie es überhaupt zum linken Weltbild passe, Verständnis für einen autoritären Herrscher zu haben, distanziert sich auch die Parteichefin Janine Wissler deutlich: "Putin ist nun wirklich kein Linker. Und deswegen geht es in dieser Frage nicht um irgendwelche Sympathien oder Kritiklosigkeit, ganz im Gegenteil."
Dass die Linke ihre Haltung zu Russland und der Ukraine nicht geklärt hat, fällt der Partei im aktuellen Konflikt auf die Füße. Zur Ukraine oder zur Annexion der Krim 2014 im linken Programm kein Wort. Und für die Menschen in der Ukraine oder "die Sicherheit der Ukraine" hat es bislang auch noch keine linke Friedensdemo gegeben.
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