Die angeschlagene Linken-Chefin Janine Wissler will wieder für den Parteivorsitz kandidieren. Das passt zu einer Partei, die den Reset braucht, aber den Reset-Knopf nicht findet.
Es sind wohl die Beharrungskräfte, die in der Linken oft wirken. Janine Wissler, angeschlagene Parteichefin einer angeschlagenen Partei, will beim Wahl- und Programmparteitag im Juni erneut für den Parteivorsitz kandidieren.
Wissler - auch das Gesicht des Linken-Niedergangs
Sie hat viel Unterstützung in der Partei, ist zu hören. Sie ist zweifelsohne ein politisches Talent. Sie ist aber auch das Gesicht des Niedergangs ihrer Partei, der in den Monaten ihrer Zeit als Vorsitzende fast unaufhaltsam geworden ist: 4,9 Prozent bei der Bundestagswahl, Sexismus- und Vertuschungsvorwürfe, Rücktritt ihrer Co-Parteichefin, bei allen drei Landtagswahlen weit unter 5 Prozent.
Das alles sind Gründe für Rücktritt oder Nichtwiederantritt. Nicht in der Linken. Die Wahrheit in der Partei ist: Es gibt nicht viele Alternativen. Und so steht Janine Wissler symbolisch auch für das Problem der ganzen Partei. Es ist viel von Erneuerung die Rede – aber die Partei scheint erstarrt im "Weiter so".
Das hat sich auch nach dem Bundestagswahl-Debakel gezeigt, als die Fraktionsspitze, der Bundesgeschäftsführer und die Parteispitze im Amt blieben. Als niemand Verantwortung dafür übernahm, dass aus einer Partei, die von Regierungsverantwortung geträumt hatte, eine Partei geworden war, die ohne drei Direktmandate nicht mehr in den Bundestag eingezogen wäre.
Linken-Probleme zu groß für Aufbruch?
Vielleicht sind die Probleme der Partei auch zu gigantisch, um einen Aufbruch wirklich hinzukriegen. Wählerverluste in Ost und West. Parteimitglieder, deren Positionen in der Frage "Corona", "Klima", "Nato", "Putin" so unterschiedlich sind, dass man sie schwer in einer Partei verorten kann. Abgeordnete, die Parteitagsbeschlüsse ignorieren.
Das Damoklesschwert über der Bundestagsfraktion, die zur Gruppe würde, wenn drei enttäuschte Abgeordnete austreten. Sexismusvorwürfe in der feministischen Partei. Endloser Richtungsstreit. So geht es nicht weiter, sagen eigentlich alle – und machen dann genau so weiter.
Wisslers Krisenkommunikation fällt mager aus
Dass sich Wissler das alles weiter antun will, zeugt zumindest von Durchhaltevermögen. Als sie nach Berlin kam, war sie Hoffnungsträgerin ihrer Partei. Über zehn Jahre erfolgreiche Fraktionsvorsitzende in Hessen. Im Duo mit Susanne Hennig-Wellsow war sie die, die besser vernetzt war in die Fraktion, die besser reden konnte, deren Auftritte besser ankamen.
Dann kamen die Vorwürfe von sexueller Belästigung und Nötigung in Wisslers ehemaligen Landesverband, Vorwürfe gegen Wisslers ehemaligen Lebensgefährten, der Vorwurf der Vertuschung gegen Wissler selbst. Hennig-Wellsow trat zurück - Wissler machte weiter. Ihre Krisenkommunikation danach war dürftig. Tagelang war sie abgetaucht. Inzwischen ist ihr rhetorisches Talent oft Phrasen gewichen - man merkt ihr die Angst an, etwas Falsches zu sagen.
Linke muss Reset-Knopf finden - und halten
In den nächsten Tagen will Janine Wissler ein Team zusammenstellen, mit dem sie sich zur Wahl stellt. Weitere Kandidaturen werden wohl in der nächsten Woche bekannt. Vom 24. bis 26. Juni soll dann in Erfurt das Programm beschlossen werden, das in Zukunft Parteilinie sein soll - und die Parteispitze neu gewählt werden.
Drei Tage für den Reset einer Partei, die den Reset-Knopf noch finden - und dann halten muss.
Andrea Maurer ist Redakteurin im ZDF-Hauptstadtstudio.
- Janine Wissler will erneut kandidieren
Janine Wissler will Vorsitzende der Linken bleiben - das bestätigte sie dem ZDF am Rande des Landesparteitages in Hannover. Ende Juni soll die Parteispitze neu gewählt werden.