CDU-Vize Linnemann: Partei "inhaltlich zu stark entkernt"

    Interview

    CDU-Vize Linnemann im ZDF:"Partei inhaltlich zu stark entkernt"

    von Stefanie Reulmann
    |

    Den Grund für die Abwanderung von Wählern zur AfD sieht CDU-Vize Carsten Linnemann auch in der eigenen Partei. Die CDU habe sich "inhaltlich zu stark entkernt", sagt er im ZDF.

    Seit Jahren verlieren die Volksparteien stetig an Zuspruch in der Bevölkerung und damit auch an Wählerstimmen. Längst sind CDU und SPD keine klassischen Volksparteien mehr. Protestparteien, die enttäuschten Wählern eine Heimat geben, bekommen immer mehr Zulauf, so auch die AfD.

    Zu viele große Koalitionen

    Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Linnemann sieht den Grund darin auch in den Regierungsbündnissen. "Wir hatten zu viele große Koalitionen", sagt er in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Das finde er "nicht richtig für eine Demokratie". Die Folge sei, dass sich die CDU darin "auch inhaltlich abgeschliffen" habe - und dafür habe man bei der letzten Bundestagswahl "die Quittung bekommen".
    Der CDU-Vize übt aber auch Selbstkritik. Die Partei habe sich inhaltlich "zu stark entkernt", betont er, man habe zu wenig gesagt, "wofür wir stehen und wofür wir nicht stehen".
    Politik und Parteien hätten sich insgesamt zu sehr vom Wähler und seiner Lebensrealität entfernt und würden deshalb als "die da oben" wahrgenommen. Um den Eindruck zu widerlegen, müssten alle Parteien "mal ein Zeichen" setzen und bürgernäher werden.

    Grundsatzkommission will glasklare Positionen festlegen

    Politiker müssten sich um die Bürger in ihren Wahlkreisen kümmern, mit ihnen sprechen und ihre Sorgen und Nöte ernst nehmen, mahnt er. Passiere das nicht, bekämen Protestparteien mehr Zulauf. Der CDU-Vize meint:

    Die Zunahme der AfD jetzt im Moment, hängt auch damit zusammen, dass nicht regiert wird und gesagt wird, wie entlasten wir denn jetzt.

    Carsten Linnemann

    Bei der SPD bekämen die Bürger "jetzt seit acht Monaten zum ersten Mal" ein Gefühl, wie sie entlastet würden.
    Um künftig deutlich zu machen, wofür die CDU stehe, arbeite nun die Grundsatzkommission daran, "wieder glasklar unsere fünf bis zehn Positionen festzulegen, die uns unterscheiden von den anderen Parteien, basierend auf unserem Werte-Fundament", sagt Linnemann.

    Keine Zusammenarbeit mit der AfD

    Eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnt der CDU-Vize nach wie vor klar ab - und steht damit an der Seite des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz. "Die Partei wird vom Verfassungsschutz beobachtet, sie duldet Rechtsradikale und vieles mehr", sagt Linnemann.

    Friedrich Merz hat glasklar recht, dass es nie eine Zusammenarbeit mit der AfD geben wird, nie!

    Carsten Linnemann

    Trotzdem müsse man die Wähler der AfD ernst nehmen. Viele seien "frustiert" und "geben der AfD die Stimme, weil sie mit uns unzufrieden sind", sagt er. Die Aufgabe der CDU sei es nun, sich Gedanken darüber zu machen, "was können wir besser machen, um Positionen klar einzunehmen", sagt Linnemann.

    Linnemann: AfD-Wähler zurückholen

    Gleichzeitig stellt der Partei-Vize klar, dass man das Ziel, die Zahl der AfD-Wähler mit einem Parteichef Friedrich Merz zu halbieren, "nicht erreicht" habe. "Den Satz habe ich auch gesagt", betont Linnemann, "und ich habe auch gedacht, wir schaffen das, eher, schneller". Trotzdem müsse das Ziel bleiben. Man müsse die Menschen zurückholen, fordert er.

    Die wollen einfach ein Zeichen setzen, wählen Protest, um uns zu sagen, macht es besser.

    Stefanie Reulmann ist Redakteurin im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
    Quelle: ZDF

    Mehr zum Thema

    Tino Chrupala links & Alice Weidel rechts vor blauem Hintergrund auf dem AfD-Bundesparteitag, beide schauen sich an
    5:00 min

    Politik | frontal:Tumulte in der AfD

    von Marcus Bensmann (CORRECTIV), David Gebhard und Ulrich Stoll