Aus eigener Kraft könnte Deutschland sich wohl nicht von russischem Gas unabhängig machen. Warum die Bundesregierung jetzt auf Flüssigerdgas setzt - und auf Europa.
Der Krieg in der Ukraine und die Wirtschaftssanktionen gegen Russland haben schon jetzt weitreichende Folgen. Die Energiepreise explodieren. Deutschland hängt am russischen Gashahn, gut die Hälfte des Erdgases hierzulande stammt aus Russland. Bei einem Lieferstopp für russisches Gas stünde die Bundesrepublik erstmal blank da.
Norwegen könnte seine Produktion noch ein bisschen erhöhen, Deutschlands heimische Produktion etwas gesteigert werden, erklärt Energie-Experte Tobias Federico von Energybrainpool. "Das kann aber die Summe des russischen Pipelinegases nicht ersetzen. Kurzfristig können auch keine Pipelines gebaut werden. Wir müssen wirklich auf Schiffe setzen", sagt er.
Habeck macht sich stark für LNG-Terminals
Gemeint sind Frachter aus Asien oder den USA, die verflüssigtes Erdgas, kurz LNG (Liquified Natural Gas) an Land bringen. Ausgerechnet der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck macht sich nun für den Bau von LNG-Terminals stark.
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Kanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte unlängst in einer Rede im Bundestag, seine Regierung werde Brunsbüttel und Wilhelmshaven als Flüssiggas-Standorte unterstützen – nach Aussagen der niedersächsischen Landesregierung wohl nicht finanziell, aber durch Abnahmegarantien für Gas-Unternehmen.
Alte Pläne sollen reaktiviert werden
In Wilhelmshaven hatte die Firma Uniper ihre Terminal-Pläne vor drei Jahren wieder verworfen. Nicht wirtschaftlich, war damals die Begründung. Jetzt macht die Regierung Druck, getrieben durch die aktuelle Krise. Uniper sagte ZDFheute, man prüfe derzeit, die Planung für ein LNG-Terminal in Wilhelmshaven wieder aufzunehmen.
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Auch im niedersächsischen Stade sollen in einigen Jahren Tanker Flüssigerdgas über die Elbe an Land bringen. Der Hanseatic Energy Hub (HEH), ein Konsortium privater Investoren, plant bereits seit Jahren, die vorhandene Hafenanlage auszubauen. Standortvorteile: Nur zehn Kilometer bis zum nächstgelegenen Einspeisungspunkt ins deutsche Gasnetz und ein Chemie-Konzern als Partner, der schon seit 50 Jahren mit verflüssigten Gasen arbeitet.
Rund 700 Terawattstunden Flüssigerdgas im vergangenen Jahr
Bis Ostern sollen alle Unterlagen für das Planfeststellverfahren vorliegen. Stade ist damit im Vergleich zu den anderen beiden potenziellen LNG-Standorten am weitesten fortgeschritten, wird aber dennoch frühestens 2026 an den Start gehen können, sagt HEH.
Kurzfristig bringen Terminals Deutschland also keine Energiesicherheit. "Wir müssen das im europäischen Verbund schaffen", sagt Federico und meint die 36 bereits vorhandenen LNG-Anlandestellen in Europa. Sechs befinden sich aktuell im Bau, 21 weitere sind geplant.
Die Menge des nach Europa importierten Flüssiggases entsprach im vergangenem Jahr einem Bruttoheizwert von rund 700 Terawattstunden. Die maximalen Import-Kapazitäten lägen aber fast beim Dreifachen, bei 2.000 Terawattstunden, erläutert Georg Zachmann vom europäischen Think Tank Bruegel. Nutze man die vorhandenen Terminals rund um die Uhr, könne man sich von russischen Gaslieferungen unabhängig machen.
LNG aus den USA meist durch Fracking
Gas aus Spanien etwa könne dann über Pipelines auch in deutsche Speicher kommen. Zachmann spricht dennoch von einer "Herkulesaufgabe", global müsse intensiv verhandelt werden. Japan könne möglicherweise LNG-Kapazitäten abgeben. "Die Erwartung ist auch, dass die USA nochmal deutlich mehr Energie dieses Jahr produzieren können", sagt der Experte.
Risiken für die Umwelt werden allerdings mit eingepreist. LNG aus den USA wird meist durch die umweltschädliche Fracking-Methode gewonnen. Langfristig wollen aber auch die Betreiber des Terminals in Stade fossiles Flüssiggas durch grünen Wasserstoff ersetzen. Auch der Energiemarkt steht vor einer Zeitenwende.