Expertin: Cherson-Referendum verschoben, nicht abgesagt

    Interview

    Claudia Major zu Moskaus Plan:Expertin: Cherson-Referendum nur verschoben

    06.09.2022 | 10:17
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    Moskau habe seine Pläne für die Region Cherson nicht aufgegeben, betont Sicherheitsexpertin Major. Auch wenn das Referendum über einen Beitritt zu Russland verschoben wurde.

    "Russland hält an der Idee fest, die Gebiete zu annektieren und in russisches Territorium zu verwandeln", so Claudia Major, Stiftung Wissenschaft und Politik, nach Stopp des Referendums in Cherson.06.09.2022 | 6:31 min
    Die Pläne für ein Referendum über einen Beitritt der besetzten südukrainischen Region Cherson zu Russland sind laut Besatzungsmacht aus Sicherheitsgründen verschoben worden. "Das ist zum einen eine gute Nachricht", sagte Sicherheitsexpertin Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik im ZDF-Morgenmagazin. Denn Sicherheitsgründe bedeuteten, dass die ukrainische Offensive Russland wirklich zu schaffen mache. "Also es ist erstmal ein positives Signal."

    Aber man sollte sich da auch nicht täuschen. Denn das Referendum wurde nicht abgesagt, es wurde nur verschoben.

    Claudia Major, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Unterdrückung auch ohne Referendum?

    Das bedeute, Russland halte an der Idee noch fest, die Gebiete zu annektieren und in russisches Territorium zu verwandeln. Das Referendum sollte die Herrschaft der russischen Truppen über das Gebiet legalisieren. Zudem könne Moskau die sogenannte Ent-Ukrainisierungs-Politik fortsetzen. "Das heißt, auch ohne ein Referendum kann die Bevölkerung dort unterdrückt werden."

    Faktisch ändert sich erstmal nicht viel für die besetzten Gebiete, die weiterhin von Russland besetzt und unterdrückt werden.

    Claudia Major, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Major: Landgewinne erstmal nicht oberstes Ziel

    Die ukrainische Armee hat Ende August eine Gegenoffensive im Süden des Landes gestartet. Ziel der Angriffe im Gebiet Cherson ist es, die russischen Truppen mindestens hinter den Fluss Dnipro zurückzudrängen. Zahlreiche Brücken über den Fluss, aber auch militärische Objekte, die von den Russen genutzt wurden, sind durch Artilleriefeuer zerstört oder unbrauchbar gemacht worden. Nach britischer Einschätzung erzielt die Ukraine dabei Fortschritte.
    Bei dieser Offensive geht es laut Sicherheitsexpertin Major nicht um große Landgewinne. Das Ziel sei aber erstmal, die russischen Versorgungslinien, Knotenpunkte oder Kommandoposten zu schwächen oder zu zerstören, um dann eventuell auch Geländegewinne zu machen.

    Und damit machen sie ziemliche Fortschritte.

    Claudia Major, Stiftung Wissenschaft und Politik

    Expertin: Ukraine auf Hilfe aus Westen angewiesen

    Major hob im ZDF die Bedeutung der militärischen Hilfe aus dem Westen hervor: In einem militärischen Konflikt sei es entscheidend für den Ausgang, wer die Lücken beim Personal und beim Material schnell wieder schließen könne. "Und dafür braucht die Ukraine die westliche Unterstützung." Die Ausrüstung mit modernen Waffen, schweren Waffen oder Artillerie sei für die Ukraine überlebensnotwendig. "Weil sie sonst kein Territorium zurückerobern können."

    Es geht ja nicht darum, Russland abzuwehren. Sondern es geht darum, besetztes Gebiet wirklich zurückzuerobern.

    Claudia Major, Stiftung Wissenschaft und Politik



    Expertin: Winter wird Herausforderung für Ukraine

    Mit Blick auf die kommenden Monate hob Major drei zentrale Punkte hervor, die für die Ukraine wichtig werden:
    • Interne Situation: Im Winter müsse die Ukraine trotz teils zerstörter ziviler Infrastruktur "das Land am Laufen halten" und Millionen Binnenflüchtlinge versorgen.
    • Unterstützung aus dem Westen: Die Ukraine brauche die finanzielle und miltärische Unterstützung der westlichen Staaten. Doch je länger der Krieg laufe, desto mehr sinke die Aufmerksamkeit.
    • Russische Truppen in der Ukraine: Major zufolge besteht die Sorge, dass sich die russischen Truppen konsolidieren und "auf ukrainischem Territorium festkrallen".
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    Quelle: ZDF, dpa
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