Marteria hat in seiner Kindheit die rassistischen Randale von Rostock miterlebt. Es habe totale Anarchie geherrscht. Aus Rostock sei heute aber eine "tolle Stadt" geworden.
Als Marteria noch ausschließlich Marten Laciny ist, fliegen in seiner Nachbarschaft Molotowcocktails auf Wohnungen, in denen Menschen leben. Es ist Mitte August in Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992. Angestaute Wut auf Asylbewerber entlädt sich "im größten nationalsozialistischen Anschlag nach dem Zweiten Weltkrieg", wie es Marteria bei Markus Lanz formulierte.
Applaus für den Mob
Ein Mob, dem auch viele Nazis angehören, randaliert und Tausende Zuschauer applaudieren. Die Polizei ist überfordert, muss sich zurückziehen und lässt die Menschen im brennenden Wohnheim zurück, auf sich allein gestellt.
Campino, der Sänger der Band "Die Toten Hosen", spricht bei Markus Lanz darüber, wie sich rechtes Gedankengut in Ostdeutschland nach der Wende verbreitet hat.
Da ist Marteria, der quasi nebenan im Rostocker Stadtteil Groß Klein lebt, gerade mal neun Jahre alt.
Schon in den Monaten davor sei die Wut in der Stadt hochgekocht. Sein Bruder sei an einem Tag "blutüberströmt" nach Hause gekommen. Auch für ihn selbst sei der Weg von der Schule wie ein "Spießrutenlauf" gewesen. "Das war eine anarchische Zeit – wie bei Mad Max. Du hast das Gefühl gehabt, dass du gar keinen Schutz hast, warst auf die alleingestellt", sagte Marteria bei "Lanz".
Hitlergruß gegen Bezahlung
Einen Tag nach den schlimmen Ausschreitungen sei der "Wahnsinn" dann weitergegangen. Deutsche und amerikanische Fernsehteams hätten ihn und weitere Kinder an seiner Schule gefragt, "ob wir uns mit Hitlergruß vors Haus stellen für 50 Mark". Alles nur, um ein ganz bestimmtes Bild von der Stadt zu erzeugen.
5 Stelen - verteilt über die ganze Stadt – sie sollen künftig an die ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Rostock und das Versagen der damals Verantwortlichen aus Politik, Medien, Polizei und Gesellschaft erinnern.
In den Jahren danach habe man dann nie mehr einfach sagen können, man sei aus Rostock, das sei immer direkt eine Stunde Diskussion gewesen. "Du bist einfach Rechts", sagte Marteria," wir kennen dieses Gefühl, immer dieses Verteidigen".
Stolz auf eine "tolle" Stadt
Umso stolzer sei er nun darauf, was aus dieser Stadt geworden sei. Rostock sei jetzt eine "tolle" Stadt mit "geilen Vierteln" geworden, die sich herausgeputzt habe, in der die Menschen zusammenhalten würden.
Anlass, darüber zu sprechen, war für Marteria das Split-Single-Projekt "Scheiß Wessis", "Scheiß Ossis", das er nun gemeinsam mit Campino, Sänger von "Die Toten Hosen", veröffentlicht hat. In den zwei Songs gehen Marteria und Campino ein auf die schwierige Beziehung zwischen Ost- und Westdeutschen, thematisieren Klischees und verpacken das Ganze auch mal humorvoll und selbstironisch.
Campino: Freundschaft zwischen Ost und West
Mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung hätten sie sich angesichts des Krieges in der Ukraine nicht leichtgetan, sagte Campino, der ebenfalls bei "Lanz" zu Gast war.
Eigentlich würden ost- und westdeutsche Befindlichkeiten gerade nicht zur Debatte stehen. Doch in ihrem Projekt gehe es um Gemeinsamkeit und Freundschaft – und letztlich auch eine Erinnerung daran, was für ein Glück es gewesen sei, dass die Wiedervereinigung ohne Terror und Waffengewalt vonstattenging.
Marteria schloss sich dem bei "Lanz" an.
In ihm habe es immer ein Bedürfnis gegeben, die "Ostwelt" in Schutz zu nehmen. Denn auf der Ostseite seien immer wieder viele Ungerechtigkeiten passiert. In Bezug auf Putin sei es zudem immer nur "um Säbelrassen" gegangen. Seine Meinung habe sich nun aber natürlich geändert.
Marteria: Dankbar für die Freiheit
Der Rapper schilderte auch, wie der erste greifbare Krieg in seinem Leben ihn zum Nachdenken bringt. "Ich glaube, ich würde nicht abhauen", sagte er mit Blick darauf, was passieren würde, wenn Deutschland in den Konflikt hineingezogen wird, "einfach für die Freiheit, die man hat und die ich erleben darf."
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