Für Norbert Röttgen hat in der Ukraine eine neue, brutale Phase des Krieges begonnen. Militärexperte Carlo Masala stimmt zu und sagt, worauf es in den nächsten Tagen ankommt.
„Es sieht so aus, dass jetzt die Phase des Zerstörungs-, des Vernichtungskrieges eingeläutet wurde", bewertet Norbert Röttgen die aktuelle Lage im Ukraine-Krieg.
Wladimir Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine stockt. Insbesondere in der Hauptstadt Kiew wehren sich die Ukrainer erbittert gegen die Invasoren, halten ihre Stellungen. Dieser Erfolg hat aber einen hohen Preis: den Beginn einer "neuen Phase", wie Norbert Röttgen es am Dienstagabend bei Markus Lanz nannte. Den Beginn eines "Vernichtungskrieges".
"Was man jetzt sieht, ist erbarmungsloser Artillerie-Einsatz. Es wird jetzt zerstört", sagte der CDU-Außenexperte. Zuvor waren Bilder des Raketeneinschlags in der ukrainischen Großstadt Charkiw gezeigt worden – mit mindestens zehn zivilen Opfern. Genau diese Angriffe auf zivile Einrichtungen nannte Röttgen "ganz schlimm" und "kriegsverbrecherisch".
Röttgen weiter:
Russische Truppen setzen ihre Angriffe auf Charkiw im Osten der Ukraine ebenso fort wie auf die Hauptstadt Kiew. Ein russischer Militärkonvoi bewegt sich außerdem auf Kiew zu. Er soll etwa 64 Kilometer lang sein.
"Wahllose Zerstörung"
Carlo Masala, Professor an der Universität der Bundeswehr München, pflichtete Röttgen bei. Er sprach von einer "übertriebenen Strategie", die Russland schon im Tschetschenienkrieg oder auch in Syrien angewandt habe: die wahllose Bombardierung, "von allem, was da ist" und auch von Gebieten, in denen es keine militärischen Einrichtungen gebe, sondern nur Zivilbevölkerung.
Putins weiteres Vorgehen werde nun darauf abzielen, Kiew zu umzingeln und die russischen Kräfte massiv zu verstärken, so Masala. Wenn Putin, wie dieser immer wieder sage, die Ukraine entmilitarisieren und entnazifizieren wolle, müsse er der ukrainischen Armee "das Rückgrat brechen" und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj aus dem Weg schaffen. Beides gehe nur über eine Belagerung und Einnahme Kiews. Das werde man in den nächsten Tagen sehen.
Masala weiter: "Es wird um Kiew gehen und im Rest des Landes werden wir wahllose Zerstörung beobachten können."
In der Ukraine wächst die Verzweiflung. Wer nicht kämpfen kann oder will, versucht zu flüchten, solange möglich. Manche Menschen dort haben aber auch Angst ihr Zuhause zu verlassen, solange es keinen Sicherheitskorridor gibt.
Ukraine steht ein "längeres Szenario" bevor
Politologin und Osteuropa-Expertin Margarete Klein wies indes darauf hin, dass in der Ukraine ihrer Ansicht nach nun ein "längeres Szenario" bevorstehe. Putin habe völlig unterschätzt, dass die Ukraine ein anderes Land mit anderen Streitkräften sei als noch vor acht Jahren bei der Annexion der Krim.
Außerdem sei der russische Präsident bislang nicht zur Deeskalation bereit. Er habe nun erneut maximale Forderungen gestellt und spreche weiterhin von Entnazifizierung und Demilitarisierung der Ukraine. So hätte die Neutralitätslösung, dass die Ukraine mit der Zusage, neutral zu bleiben und sich keinem Bündnis anzuschließen, einen Frieden aushandeln könnte, derzeit keine reale Chance.
Die komplette Sendung von Markus Lanz:
Über Hilfsmaßnahmen u. Aufnahmereglements für ukrainische Kriegsflüchtlinge, deutsche Waffenlieferungen an Kiew sowie die Debatte um einen EU-Beitritt der Ukraine im Eilverfahren
Klein: Drohung mit Atomwaffen nicht ernst gemeint
Putin wolle eine "zur Selbstverteidigung nicht mehr fähige Nation" erschaffen, so Klein. Das könne er aber nur erreichen durch den Einsatz einer pro-russischen Marionettenregierung in Kiew. All das bedeutete für Klein aber nicht, dass auch die indirekten russischen Drohungen bezüglich eines Einsatzes von Atomwaffen noch größere Sorgen machen müssten.
Sie glaube nicht, dass das wirklich ernst gemeint sei, so Klein. Allerdings: Die "Nonchalance", also die Unbekümmertheit, mit der über diese Themen gesprochen werde, sei "wirklich erschreckend". Und es gebe auch immer ein Risiko von Fehlkalkulation und Missinterpretation, das man nicht ausschließen könne. Das mache die Gefahr aktuell aus.
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