"Zum Kotzen" - so beschreiben Unionsabgeordnete die Stimmung in der eigenen Fraktion. Wegen eines Maskendeals mit satter Provision drohen CDU-Hinterbänkler Löbel Konsequenzen.
Das Entsetzen ist groß. "Zum Kotzen" - so sei das Verhalten mancher Unionsabgeordneten, heißt es aus der Unionsfraktion. Eine Quelle spricht gegenüber dem ZDF hinter vorgehaltener Hand von einer "Katastrophe". Nur der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke lässt sich zitieren: "Ich könnte platzen vor Wut", sagt er.
Grund für den Wutausbruch: Der CDU-Abgeordnete Nikolas Löbel. Er soll über seine Firma Schutzmasken vermittelt und 250.000 Euro Provision kassiert haben, berichtet der "Spiegel". Und das, während Künstler, Selbstständige und Restaurantbetreiber auf Hilfsgelder vom Staat warten. Ungläubig haben sie sich in Fraktion und Partei den Spiegel-Artikel per Mail und WhatsApp weitergeleitet.
Grüne und Linke sprechen von "Korruption"
Auch der Maskendeal des CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein entsetzt die Partei. Nüßlein soll sich im Frühjahr unter anderem beim Bundesgesundheitsministerium für einen Lieferanten von Corona-Schutzmasken eingesetzt haben. Der Großauftrag kam offensichtlich auch zustande. Dafür sollen 660.000 Euro Provision an eine Firma gegangen sein, an der Nüßlein beteiligt sein soll. Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit.
- CSU-Politiker Nüßlein: Rückzug aus Politik
Der CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein zieht sich aus der Politik zurück. Auch sein CDU-Kollege Löbel steht in der Kritik. Einschätzungen von ZDF-Korrespondentin Shakuntala Banerjee.
"Aus der Not Profit schlagen. Als Abgeordneter. Was ist das für ein Politikverständnis", kritisiert Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Der ehemalige Linken-Chef Bernd Riexinger spricht von "Korruption bei CDU und CSU". Und auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak nennt es "unanständig, dass sich Parlamentarier mit der Maskenbeschaffung in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg bereichert haben." Ziemiak weiter:
Auch Unions-Fraktionschef Brinkhaus äußert sich ähnlich. In einem Fraktions-Schreiben, das dem ZDF vorliegt, verurteilt Brinkhaus das Verhalten der eigenen Leute und äußert "vollkommenes Unverständnis".
Schaden für CDU kurz vor Landtagswahlen
Die Negativschlagzeilen kommen für die CDU zur Unzeit. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden in rund einer Woche neue Landtage gewählt. In beiden Ländern verliert die Partei an Boden, in Baden-Württemberg droht gar eine historische Niederlage. Außerdem ist Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erkennbar angezählt. Der Frust über die Corona-Politik sowie fehlende Schnelltests schaden der Partei.
Das "Maskengate" hat für CSU-Mann Nüßlein bereits Konsequenzen. Er wird im September nicht mehr bei der Bundestagswahl antreten. Nüßleins CDU-Kollege Löbel gibt derweil seinen Sitz im Auswärtigen Ausschuss ab, außerdem räumt er Fehler ein: "Als Bundestagsabgeordneter hätte ich gerade in der besonderen Pandemie-Situation auch in meiner unternehmerischen Tätigkeit sensibler handeln müssen", sagt er.
Erste Rücktrittsforderung aus den eigenen Reihen
Dem CDU-Europaabgeordneten Dennis Radtke reicht das nicht. Er schäumt, das Fehlverhalten Einzelner zerstöre die Arbeit Hunderter Abgeordneter, "die sich jeden Tag den Hintern aufreißen". Und diese Äußerung kann man auch als Rücktrittsforderung lesen:
Es sieht so aus, als sei Corona kein Gewinnerthema mehr für die Union. Im Gegenteil: Corona wird zum Makel für die Partei.
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