Altkanzlerin Angela Merkel hat den Angriff Russlands auf die Ukraine als "brutalen Überfall" verurteilt. Der Krieg sei ein Einschnitt, der sie auch persönlich bedrücke.
Es ist ihr erstes Interview nach dem Ende ihrer Amtszeit: Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt sich im "Berliner Ensemble" den Fragen eines Journalisten. Dabei nennt sie den Angriff Russlands auf die Ukraine einen Bruch des Völkerrechts. Der 24. Februar sei ein Einschnitt gewesen, der sie auch persönlich bedrücke. Merkel sagte:
Sie habe sich gefragt, ob sie etwas versäumt habe und ob man den Krieg hätte verhindern können. Dabei gestand Merkel ein, dass es nicht gelungen sei, den Kalten Krieg zu beenden. Schon während ihres Treffens mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Jahr 2007 sei ihr ein "großer Dissens" aufgefallen. Seitdem sei es nicht gelungen, eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur zu errichten.
Merkel verteidigt Nato-Absage an Ukraine
Merkel verteidigte in dem Gespräch auch, dass sie im Jahr 2008 gegen eine Aufnahme der Ukraine in die Nato gewesen sei. Zur Wahrheit gehöre, dass die Ukraine im Jahr 2008 "ein von Oligarchen beherrschtes Land" gewesen sei. Außerdem hätte Putin eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine als Eskalation wahrgenommen, Merkel sprach sogar von einer "Kriegserklärung".
Außerdem sei eine Nato-Mitgliedschaft ein längerer Prozess. Sie habe befürchtet, dass Putin der Ukraine während eines möglichen Aufnahmeverfahrens etwas antun würde, dass dieser nicht gut täte.
Insgesamt mache sie sich in Bezug auf ihre Russland-Politik keine Vorwürfe. Kritisch äußerte sie sich aber in Bezug auf die USA und die Ostseepipeline Nord Stream 2. Sie habe sich sehr darüber geärgert, dass US-Präsident Joe Biden Sanktionen gegen Unternehmen verhängt hätte, die bei Nord Stream 2 aktiv waren. Das mache man mit dem Iran, aber nicht mit einem Verbündeten.
Welche Hörbücher Merkel an der Ostsee hört
In dem Interview äußerte sich Merkel auch überraschend privat. Ihr gehe es persönlich sehr gut, sie habe im Winter fünf Wochen an der Ostsee verbracht, sich mehr bewegt und ein richtig dickes Buch gelesen. Außerdem habe sie Hörbücher für sich entdeckt und etwa Macbeth und Don Carlos gehört.
Merkel sagte über ihre Zeit an der Ostsee: "Meer hat für mich etwas sehr beruhigendes." Außerdem kenne sie sich dort aus, das gelte auch in Bezug auf die Menschen dort: "Weil die Leute dort an mich gewöhnt sind, sind sie auch sehr schweigsam." Zwar hätten sie viele freudestrahlend begrüßt, aber niemand habe das einer Zeitung verraten.
Merkel erklärt Zitteranfälle mit Tod der Mutter
Auch zu ihren Zitteranfällen gegen Ende ihrer Amtszeit äußerte sich Merkel. "Einmal war ich sehr erschöpft nach dem Tod meiner Mutter", so Merkel. Auch habe sie damals zu wenig getrunken. Zum Schluss habe sie auch Angst gehabt, dass die Zitterfälle erneut auftreten könnten. Auf sie seien als Kanzlerin immer Teleobjektive gerichtet. "Das ist manchmal auch belastend."
[Das komplette Interview mit Angela Merkel können Sie hier noch einmal sehen.]
- Angela Merkel im Gespräch
Angela Merkel stellt sich erstmals seit ihrem Ausscheiden aus dem Amt als Bundeskanzlerin öffentlich den Fragen eines Journalisten.