In Brüssel stellte Bundeskanzlerin Merkel ihren Plan für die EU-Ratspräsidentschaft vor. Sie will Freiheitsrechte und den Umgang mit der Corona-Pandemie in den Fokus stellen.
Angela Merkel sprach in ihrer Rede vor dem EU-Parlament über Grundrechte und Zusammenhalt. Nächste Woche steht der EU-Gipfel an, bei dem über das umstrittene Milliarden-Paket für den Wiederaufbau diskutiert wird. Sich zu einigen, wird zur Herkulesaufgabe.
"Eine Reise ins Herz der europäischen Demokratie", beschreibt Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre erste Auslandsreise seit Beginn der Corona-Pandemie. Vor dem EU-Parlament in Brüssel stellte Merkel das Programm der anstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft vor.
Fünf Themen stünden laut Merkel im Zentrum der EU-Ratspräsidentschaft: Grundrechte, Zusammenhalt, Kimaschutz, Digitalisierung und Europas Verantwortung in der Welt.
Deutliche Kritik an mehreren EU-Mitgliedsstaaten
Die Corona-Pandemie sei die "größte Bewährungsprobe in der Geschichte der Europäischen Union." Eine Pandemie dürfe aber "nie Vorwand sein, um demokratische Prinzipien auszuhebeln", betonte Merkel.
Es war eine Rede, die auch an die Regierungen mehrerer EU-Staaten, insbesondere Polen und Ungarn, gerichtet war. Vor allem der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban wurde dafür kritisiert, in der Corona-Pandemie Verfassungsprinzipien außer Kraft gesetzt zu haben. Sein Notstandsgesetz erlaubt es, weitgehend vorbei am Parlament zu regieren.
Bundeskanzlerin Angela Merkel präsentiert heute in Brüssel ihr Programm zur EU-Ratspräsidentschaft. "Die Parlamentarier erwarten von Merkel ein Bekenntnis dazu, dass sie beim Haushalt und Wiederaufbaufond mitreden dürfen", so Gunnar Krüger.
Merkel: "Weitere Herausforderungen unserer Zeit im Blick haben"
"Europa muss sich nachhaltig wandeln, wenn wir es schützen und bewahren wollen", sagte Merkel. "Die Pandemie und ihre Folgen werden unsere Ratspräsidentschaft prägen, zugleich müssen wir immer auch die weiterhin bestehenden großen Herausforderungen unserer Zeit im Blick haben." Das seien vor allem Kimawandel und digitaler Wandel.
Auch der Ausbau der digitalen Infrastruktur und der effektive Schutz vor Cyber-Bedrohungen und Desinformationskampagnen sei zentral. "Es ist wichtig, dass Europa digital souverän wird", sagte Merkel.
Es war eine eher unspektakuläre Übergabe der Ratspräsidentschaft an Deutschland - für einen enorm wichtigen Job: Mitten in einer Krise soll die EU vor dem Absturz gerettet werden. Bundeskanzlerin Merkel begann die neue Aufgabe heute entsprechend ernst.
Für Merkel folgen Verhandlungen und Einzelgespräche
Merkel fürhrt in Brüssel auch eine Reihe von Einzelgesprächen, unter anderem mit EU-Ratspräsident Charles Michel und Parlamentspräsident David Sassoli. Abends nimmt sie an einem Treffen mit den EU-Spitzen zum nächsten siebenjährigen EU-Haushaltsplan und dem geplanten Programm zur wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Krise teil.
Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Rede vor den Europa-Parlamentariern zum Zusammenhalt in der Corona-Krise aufgerufen. Das berichtet ZDF-Korrespondentin Anne Gellinek aus Brüssel.
Die deutsche Ratspräsidentschaft dauert sechs Monate bis zum Jahresende. Der Vorsitz der 27 EU-Staaten wechselt jedes halbe Jahr.