Über viereinhalb Jahren verhandelte ein türkisches Gericht den Fall Mesale Tolu. Nun ist die Journalistin aus Ulm, die seit 2018 wieder in Deutschland lebt, freigesprochen worden.
Die deutsche Journalistin Mesale Tolu ist am Montag von einem türkischen Gericht von Terrorvorwürfen freigesprochen worden. "Nach 4 Jahren, 8 Monaten und 20 Tagen: Freispruch in beiden Anklagepunkten!", schrieb Tolu auf Twitter.
Die Staatsanwaltschaft hatte Tolu, ihrem Ehemann und anderen in der ursprünglichen Anklage unter anderem Mitgliedschaft in der linksextremen Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) sowie Terrorpropaganda vorgeworfen. Die MLKP gilt in der Türkei als Terrororganisation.
Auch ihr Ehemann Suat Corlu, der im gleichen Prozess angeklagt war, wurde freigesprochen. Beide nahmen nicht an der Verhandlung teil.
"Dieses Verfahren hätte nie stattfinden dürfen"
Christian Mihr von der Organisation Reporter ohne Grenzen kritisierte den Prozess bei Twitter als "weiteres Willkürverfahren" und einen "Beweis für die Nicht-Rechtsstaatlichkeit in der Türkei". "Dieses Verfahren hätte nie stattfinden dürfen."
Der Bundestagsabgeordnete Max Lucks, Obmann für die Grünen im Ausschuss für Menschenrechte, war zur Prozessbeobachtung angereist. Er sagte laut Pressemitteilung:
2017 in Istanbul fesgenommen
Die in Ulm geborene und aufgewachsene kurdischstämmige Journalistin und Übersetzerin hatte in Istanbul für die linke Nachrichtenagentur Etha gearbeitet. Die Anti-Terror-Polizei nahm sie Ende April 2017 in Istanbul fest. Der darauffolgende Prozess wurde etliche Male vertagt.
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Tolu saß zudem mehr als sieben Monate und zeitweise gemeinsam mit ihrem Kind in türkischer Untersuchungshaft. Erst Monate nach ihrer Entlassung wurde auch die Ausreisesperre gegen sie aufgehoben.
Am 26. August 2018 kehrte sie dann mit ihrem damals dreijährigen Sohn nach Deutschland zurück. Die Ausreisesperre gegen Corlu wurde erst später aufgehoben. Über ihre Zeit im Gefängnis und die Menschenrechtslage in der Türkei schrieb sie ein Buch. Auf Twitter schrieb Tolu heute:
Deutsche Staatsbürger in der Türkei festgenommen
Die Festnahme Tolus und anderer deutscher Staatsbürger hatte 2017 für heftige Spannungen zwischen Ankara und Berlin gesorgt. Die prominentesten Inhaftierten waren neben Tolu Journalist Deniz Yücel und der Menschenrechtler Peter Steudtner. Sie durften inzwischen ausreisen. Steudtner wurde mittlerweile freigesprochen. Yücel wurde im Juli 2020 wegen Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt.
Die Türkei steht auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 153 von 180. Spätestens seit dem Putschversuch im Jahr 2016 geht die Regierung mit harten Bandagen gegen kritischen Journalismus vor, der sich gegen sie richtet. Viele Journalisten wurden wegen ihrer Arbeit vor Gericht gestellt, ein Großteil der Medien im Land steht unter Kontrolle der Regierung.