In Thüringen strebt die AfD ein Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Bodo Ramelow an - und will ihren Fraktionschef Björn Höcke zur Wahl stellen. Wie hoch stehen die Chancen?
Auch am letzten Tag vor der Sommerpause wird es heute im Thüringer Landtag noch einmal hitzig. Am Nachmittag werden die Parlamentarier über ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Bodo Ramelow abstimmen, das die AfD beantragt hat.
Neuwahl abgeblasen
Das, nachdem die versprochene Neuwahl abgeblasen wurde. Abgesagt, weil zuerst vier CDUler nicht mitmachen wollten, dann zwei bei den Linken. Vor einer Neuwahl hätte das Parlament mit 60 Stimmen aufgelöst werden müssen. Diese Stimmen waren nicht mehr sicher.
Vor allem Linke und Grüne wollten am Ende bei der Landtagsauflösung nicht auf AfD-Stimmen angewiesen sein. Es ging ihnen dabei auch um den 5. Februar 2020, als der FDPler Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU und AfD Ministerpräsident wurde.
Mit dem Misstrauensvotum heute stellt die AfD ihren Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke als Ministerpräsidentenkandidaten zur Wahl. Dass Höcke, dessen Landesverband vom Thüringer Verfassungsschutz beobachtet wird, die Mehrheit der Abgeordneten erhält, ist äußerst unwahrscheinlich.
Misstrauensvotum wird wohl scheitern
Die übrigen Oppositionsparteien FDP und CDU erklärten, dass sie Höcke nicht wählen werden. Der Erfurter Parteienforscher André Brodocz erklärt: "Wenn die AfD ernsthaft in die Regierung will, dann müsste sie das mit diesen beiden Parteien vorher koordinieren und einen Kandidaten aufbieten, der auch deren Unterstützung finden kann. Beides ist hier anscheinend nicht der Fall."
"Entweder weil die AfD hier naiv ist, was nicht für ihre Regierungsfähigkeit und die ihres Vorsitzenden sprechen würde. Oder weil die AfD mit dem Misstrauensvotum gar nicht in die Regierung gelangen will, sondern auf etwas anderes abzielt. Das aber wäre der Missbrauch eines Verfassungsinstruments", so Brodocz.
Während die FDP ihr Nein zum Misstrauensvotum ankündigte, will die CDU um Fraktionschef Mario Voigt nicht mitstimmen und sitzen bleiben, mit der Erklärung:
Das sorgte umgehend für Empörung, vor allem im Netz.
Regierung ohne Mehrheit
Nach wochenlangem Gezerre ist das Parlament zutiefst zerstritten. Und die Rot-Rot-Grüne Minderheitsregierung muss nun ohne Sicherheiten weitermachen. Um politische Vorhaben umzusetzen, benötigt Rot-Rot-Grün Stimmen anderer Fraktionen. Bislang wurden sie gestützt von der CDU mit einem Stabilitätspakt. Diesen hat die CDU nun beendet. Ministerpräsident Ramelow gab sich diese Woche bewusst optimistisch:
Doch das Parlament ist derzeit mehr mit sich selbst beschäftigt, geprägt von tiefem Misstrauen. Hinzu kommt: Die FDP-Fraktion steht vor dem Aus. Eine Abgeordnete will dem Bündnis "Bürger für Thüringen" beitreten.
Damit hätte die FDP nur noch vier Mitglieder, eins zu wenig für den Fraktionsstatus. Wie die FDP dann weiter macht, dazu findet sich in der Geschäftsordnung keine Regelung. Vorgänge, die auch die Landtagsverwaltung an ihre Grenzen bringen.
Wie weiter? Ungewiss
Komplizierter könnte die Ausgangslage fürs Weiterregieren nicht sein. Eine politische Chance bestehe laut Verfassungsrechtler Michael Brenner darin, dass sich die Fraktionen jetzt zusammenrauften und sich über einzelne Sachfragen verständigten. "Und wenn das gelingt, dann kann ich mir durchaus vorstellen, dass diese Koalition vielleicht sogar bis zum Ende der Legislaturperiode halten wird." Brenner fügt aber an, dass das "letztendlich von der politischen Einschätzung der Akteure abhängt." Ausgang derzeit offen.
So geht Thüringen in die Sommerpause, ohne zu wissen, wie es weiter geht. Spätestens im Herbst stehen die nächsten wichtigen Aufgaben an. Nicht nur die Coronapandemie geht weiter, auch der Haushalt für 2022 muss beschlossen werden. Spätestens dann wird sich zeigen, wie handlungsfähig die Thüringer Politik noch ist.
- Landtagswahl in Thüringen
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