Sie sind hier:

Mobilisierung in Russland : Woher sollen Putins neue Soldaten kommen?

Datum:

Putin braucht für seinen Krieg in der Ukraine dringend frische Soldaten an der Front und hat eine "Teilmobilisierung" verkündet. Doch wen betrifft das eigentlich?

Die Mobilisierung ist im Gange: Ein Hallenstadion wurde zu einem Sammelzentrum für Wehrpflichtige umfunktioniert.
Die Mobilisierung ist im Gange: Ein Hallenstadion in Jakutsk wurde zu einem Sammelzentrum für Wehrpflichtige umfunktioniert.
Quelle: dpa

Am Morgen des 21. September kündigte Russlands Präsidenten Wladimir Putin den Beginn der "Teilmobilisierung" in Russland an.

Es geht hier konkret um eine Teilmobilisierung, das heißt, nur Bürger, die sich derzeit in der Reserve befinden, werden zum Militärdienst einberufen, und zwar vor allem diejenigen, die in den Reihen der Streitkräfte gedient haben und über bestimmte militärische Fachkenntnisse und einschlägige Erfahrungen verfügen.
Wladimir Putin

Das Dekret, das wenig später auf der Website des Kremls veröffentlicht wurde, besagt, dass nun die Einberufung von Bürgern der Russischen Föderation zum Dienst in den Streitkräften beginnen kann.

Seit der Ankündigung machen dramatische Abschiedsszenen in Russland in sozialen Medien die Runde. Es kursieren Videos von Männern, die von Angehörigen umarmt werden, bevor sie in Busse stiegen. Es gibt Berichte, dass Studenten direkt aus ihren Vorlesungen rekrutiert wurden und auch dass festgenommene Demonstranten zum Dienst an der Waffe gezwungen werden sollen.

Doch wen betrifft die Mobilmachung eigentlich? Woher sollen die neuen Soldaten für Putin kommen?

Was ändert sich durch die Mobilmachungen für russische Bürger?

Der Erlass zwingt Russen zur Kriegsteilnahme, die bislang - zumindest theoretisch - freiwillig war. Eingezogen werden sollen 300.000 Reservisten, und zwar ab sofort. Laut Angaben des Verteidigungsministeriums sind ehemalige Wehrpflichtige sowie Zeitsoldaten mit Mannschaftsdienstgrad im Alter bis 35 Jahre und Reserveoffiziere der unteren Dienstgrade bis 45 Jahre betroffen. In erster Linie sollen demnach Männer mit Kampferfahrung und einer militärischen Spezialausbildung in den Krieg geschickt werden.

Russland-Experte Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck geht jedoch davon aus, dass auch ältere Bürger bis 60 einberufen werden. Das liege zum einen daran, dass es in Russland gar nicht so viele junge Männer gebe - die Geburtenrate liegt seit 1992 mit Ausnahme der Jahre 2014 und 2015 immer unter der Sterberate.

Zum anderen auch daran, dass viele junge Männer qualifizierte Fachkräfte seien, die man sonst "aus den Betrieben herausreißen müsste und die auch deswegen spärliche rekrutiert werden".

Woher sollen die Soldaten kommen?

Offiziell soll es in allen 85 Provinzen - in Russland Föderationssubjekte genannt - feste Quoten geben, die erreicht werden müssen, um die Mobilmachung von 300.000 Soldaten zu gewährleisten. Die Quoten selbst werden jedoch nicht veröffentlicht, daher ist unklar, ob aus manchen Gebieten mehr Personen einberufen werden, als aus anderen. Es sei möglich, dass aus den Städten wie Moskau und St. Petersburg weniger Soldaten mobilisiert werden, da es dort "eine signifikante Minderheit gibt, die mit der Regierung nicht einverstanden ist". Offiziell werden jedoch alle Regionen gleich stark belastet.

Es sei jedoch zu beobachten, dass die Rekrutierung in ländlichen Gebieten sehr viel schneller angelaufen ist:

Man kann beobachten, dass die Mobilisierungen in strukturschwachen, ärmeren Gebieten, wo es auch eine signifikante Zahl von nicht ethnischen Russen gibt, sehr viel intensiver betrieben wird. 
Gerhard Mangott

Warum gibt es in ländlichen Gebieten mehr Reservisten?

Reservisten in Russland haben - ähnlich wie in Deutschland - nach ihrer aktiven Zeit beim Militär einen Vertrag abgeschlossen, weiter als Reserve bereitzustehen.

Russland-Experte Mangott geht davon aus, dass in den strukturschwachen Gebieten in Sibirien und im Fernen Osten Russlands für viele junge Männer das Militär eine der wenigen Karriereperspektiven für einen sozialen Aufstieg bietet. Dieser Umstand sorge auch dafür, dass sich nun aus diesen Gebieten mehr Männer für den Einsatz im Krieg melden. Als Vertragssoldaten verdienen Sie etwa 2.500 US-Dollar pro Monat, das sei etwa das Fünffache des Durchschnittseinkommens in den Regionen, so Mangott.

Montage: Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj vor einem Blick auf das zerstörte Mariupol

Nachrichten | In eigener Sache - Bleiben Sie auf Stand mit dem ZDFheute Update 

Das Aktuellste zum Krieg in der Ukraine und weitere Nachrichten kompakt zusammengefasst als Newsletter - morgens und abends.

Was passiert mit den Soldaten, die bereits in der Ukraine kämpfen?

Die Russische Invasion in die Ukraine läuft bereits seit über 200 Tagen. Experten gehen davon aus, dass viele der russischen Soldaten seitdem ohne Unterbrechung im Einsatz sind. Vertragssoldaten, deren Verträge bald enden, werden nach der Mobilmachung jedoch nicht entlassen, sondern müssen - so sieht des das Dekret des Kremls vor - weiter in der Ukraine kämpfen. Das werde sich nicht positiv auf die ohnehin fragliche Moral der russischen Streitkräfte auswirken, so Mangott.

Ähnlich sieht das auch Patrick Sensburg, Präsident des Verbandes der Reservisten der Deutschen Bundeswehr:

Putins Problem ist: Die Kräfte sind aufgerieben. Die Verträge laufen aus. Auch die Motivation der Soldaten ist niedrig.
Patrick Sensburg

Kann die Mobilmachung Russland zum Sieg verhelfen?

Da die neuen Truppen nach dem Wunsch des Kremls so schnell wie möglich an die Front sollen, sieht Sensburg jedoch erhebliche Probleme für das russische Militär. Man müsse die Soldaten ausstatten, trainieren und in bestehende Verbände integrieren - und das dauere Wochen bis Monate. "Untrainierte Reservisten, die nicht in bestehende Strukturen integriert werden, enden aber eher als Kanonenfutter", so Sensburg:

Wenn man die Menschen einfach irgendwo hinschickt, dann richtet das eher mehr Schaden an, als es Nutzen bringt.
Patrick Sensburg

Besonders brisant ist die Mobilmachung im Zusammenhang mit den Scheinreferenden, die zum Anschluss der besetzten Gebiete zu Russland führen sollen. Sollten die Regionen im Donbass tatsächlich zu russischem Territorium erklärt werden, darf die Regierung keinen einzigen Quadratmeter der Gebiete aufgeben. Die neuen Soldaten wären verpflichtet, jeden Meter russischen Boden zu verteidigen.

Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

russische schwarzmeerflotte auf der krim
Liveblog

Russland greift die Ukraine an - Aktuelles zum Krieg in der Ukraine 

Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.

Aktuelle Nachrichten zur Ukraine

Putin auf Landkarte mit Russland, Ukraine, Georgien und Syrien
Story

Nachrichten | Politik - Putins Kriege, Putins Ziele 

Tschetschenien, Georgien, Syrien, Ukraine: Russland hat unter Putin schon in mehreren Ländern gekämpft. Zwischen den Kriegen gibt es Parallelen – hier die Hintergründe verstehen.

Zur Merkliste hinzugefügt Merken beendet Bewertet! Bewertung entfernt Zur Merkliste hinzugefügt Merken beendet Embed-Code kopieren HTML-Code zum Einbetten des Videos in der Zwischenablage gespeichert.
Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen des ZDF.

Sie haben sich mit diesem Gerät ausgeloggt.

Sie haben sich von einem anderen Gerät aus ausgeloggt, Sie werden automatisch ausgeloggt.

Ihr Account wurde gelöscht, Sie werden automatisch ausgeloggt.

Um Sendungen mit einer Altersbeschränkung zu jeder Tageszeit anzuschauen, kannst du jetzt eine Altersprüfung durchführen. Dafür benötigst du dein Ausweisdokument.

Zur Altersprüfung

Du bist dabei, den Kinderbereich zu verlassen. Möchtest du das wirklich?

Wenn du den Kinderbereich verlässt, bewegst du dich mit dem Profil deiner Eltern in der ZDFmediathek.

Du wechselst in den Kinderbereich und bewegst dich mit deinem Kinderprofil weiter.

An dieser Stelle würden wir dir gerne die Datenschutzeinstellungen anzeigen. Entweder hast du einen Ad-Blocker oder ähnliches in deinem Browser aktiviert, welcher dies verhindert, oder deine Internetverbindung ist derzeit gestört. Falls du die Datenschutzeinstellungen sehen und bearbeiten möchtest, prüfe, ob ein Ad-Blocker oder ähnliches in deinem Browser aktiv ist und schalte es aus. So lange werden die standardmäßigen Einstellungen bei der Nutzung der ZDFmediathek verwendet. Dies bedeutet, das die Kategorien "Erforderlich" und "Erforderliche Erfolgsmessung" zugelassen sind. Weitere Details erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.

An dieser Stelle würden wir dir gerne die Datenschutzeinstellungen anzeigen. Möglicherweise hast du einen Ad/Script/CSS/Cookiebanner-Blocker oder ähnliches in deinem Browser aktiviert, welcher dies verhindert. Falls du die Webseite ohne Einschränkungen nutzen möchtest, prüfe, ob ein Plugin oder ähnliches in deinem Browser aktiv ist und schalte es aus.