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In Zeiten der "Spezialoperation" : Ein Streifzug durch Moskau

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Alles wie immer. Und doch alles anders. Ein Streifzug durch Moskau in Zeiten der "militärischen Spezialoperation". Vom leisen Widerstand und gefährlich "grünen Bändchen".

Straßenzene in Moskau am 30.03.2022
Straßenzene in Moskau - das "Z", Symbol der russischen "Spezialoperation", ist vielerorts zu sehen.
Quelle: AP

Es ist Frühling in Moskau. So etwas gibt es, auch in diesem Jahr. Auch in Zeiten der "militärischen Spezialoperation". Wie der russische Staatschef das nennt, was Russland in der Ukraine betreibt. Die Sonne steht hoch am Himmel, der ist knackblau, aber es ist noch kalt. Und so sind sie noch dick eingepackt – in Schals, Mützen, warme Mäntel und Jacken. Die schicken Bewohnerinnen und Bewohner der russischen Hauptstadt, in den Straßen rund um das Bolschoi-Theater, unweit vom Roten Platz. Dieser Sonntag fühlt sich an wie jeder andere Frühlingssonntag. Sieht aus wie jeder andere. Und doch ist alles anders.

"Geschlossen wegen technischer Probleme"

Der Brief ist der immer gleiche. Er klebt an verschlossenen Glastüren mit goldenen Griffen, an heruntergelassenen Rollos, an den Entrées der edlen Boutiquen im "GUM", Russlands teuerstem Kaufhaus. Natürlich sind es keine "technischen Probleme", die die Flagship-Stores der europäischen Luxusmarken daran hindern, ihre Pforten zu öffnen.

"Es gibt nach wie vor in Russland viele Menschen, die die sogenannte militärische Spezialoperation ablehnen", so Axel Storm, ZDF-Korrespondent in Moskau.

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2 min
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Es ist die "militärische Spezialoperation", die viele westliche Unternehmen dazu gebracht hat, dem russischen Markt - zumindest für den Moment - den Rücken zu kehren. Es ist vorbei, mit teuren Uhren, Anzügen, Pumps und vielen anderen Waren aus Paris, Mailand, Rom. Für den Moment. [Wie sehr die Wirtschaft in Russland leidet, ein Überblick.]

Instamania in Moskau - und Russlands eigene Netzwerke

Auf dem Weg zum alten Arbat, Moskaus Touristenmeile Nummer 1, sehe ich junge Leute, die Selfies schießen. Peace-Zeichen, Duckface, ausladende Posen und viel Lebensfreude. Die Instamania hat Moskau lange schon im Griff - für viele Menschen ist "инста" wichtiger als jede andere Soziale Plattform.

Dabei hat Russlands Führung, im Bestreben, sich immer weiter zu isolieren, längst "RUINSTA" ins Netz gehievt. Eine russische Alternative zum amerikanischen Social Network, so wie sie auch dafür wirbt, "RUTUBE" und "VKontakte" zu nutzen, anstatt die Angebote aus dem Silicon Valley. Allein nur: Die russischen Plattformen kommen nicht ansatzweise an deren Nutzerzahlen heran.

"Z" wie Zeitgeist?

In den Touristenshops auf dem Arbat verkaufen sie ganzjährig russische Souvenirs. Matroschka-Puppen, "Tschapkas", die dicken, hier mit Kunstfell besetzten Mützen für kalte Tage. Und natürlich immer militärischen Tand. Die Modelle der Panzer, mit denen die Sowjetunion in den Krieg gegen Nazi-Deutschland gezogen war. T-Shirts mit Stalin-Portraits findet man hier auch.

In diesem Jahr allerdings gibt es neue Modelle: Solche, auf denen das große "Z" prangt - das Symbol, das die russischen Soldaten auf Ihre Vehikel in der Ukraine gepinselt haben. Dieses "Z" steht ab und an sogar auf kleinen Küchlein, aufgetragen in Zuckerguss, die zum orthodoxen Osterfest gerne verschenkt und gegessen werden. Jüngsten Umfragen zufolge ist die Zustimmung zu Putins Politik mehrheitlich ungebrochen. [Die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine, im Liveblog.]

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Atmosphäre der Angst - viele NGOs geschlossen

Aber zum Bild gehört auch das: Wir haben im vergangenen Jahr unablässig darüber berichtet, wie knallhart der Kreml aus Russland ein Land gemacht hat, in dem es immer gefährlicher wurde, die eigene Meinung offen auszusprechen. Wir haben die Repressionen gegen Journalistinnen und Journalisten gezeigt, haben berichtet, wie selbst international anerkannte NGOs wie "Memorial", "Amnesty International" und "Human Rights Watch" geschlossen oder auf die Liste der sogenannten "ausländischen Agenten" gesetzt worden sind.

Es kann für Russinnen und Russen existenzvernichtend sein, offen zu sagen, was das Herz fühlt. Das gilt besonders für die "militärische Spezialoperation" in der Ukraine. In dieser Atmosphäre der Angst ist Widerstand schwer.

Farbenlehre und der leise Widerstand

Und doch - es gibt ihn. Leisen Widerstand. Messbar ist er nicht. Meinungsforschungsinstitute können ihn nicht erfassen. Auch, weil er anonym sein muss.

Aber wer aufmerksam durch die Stadt streift, kann die grünen Bändchen sehen. Festgeknotet an Laternen, Ampeln, manchmal an Zäunen und anderen Objekten. Grün - das sagt die Farbenlehre - entsteht, wenn man Blau und Gelb, die Farben der ukrainischen Flagge, miteinander mischt. Sie sind Zeichen des Protests, die Bändchen. Und werden in diesen Tagen mit großem Eifer entsorgt, wo immer sie gefunden werden.

Menschen sitzen an den Patriarchenteichen in Moskau am 27603.2022
Menschen sitzen an den Patriarchenteichen in Moskau
Quelle: Imago

Neue Zeiten, neue Preise

Mein Spaziergang endet an den "Patriarchenteichen". Ein Highlight jeder Stadtführung, und jetzt, bei diesem schönen Wetter, sind die ersten Besuchergruppen auch schon unterwegs. Sie wandeln auf den Spuren Michail Bulgakows, der mit "Meister und Margarita" einen Roman für die Ewigkeit geschrieben hat, 1966 wurde er veröffentlicht.

Die Restaurants sind gut gefüllt, die kleinen Supermärkte geöffnet. Spürbar allerdings sind die neuen Zeiten besonders bei den Preisen - vieles ist inzwischen deutlich teurer geworden, auch Grundnahrungsmittel wie Buchweizen, Zucker und Butter. Teils um bis zu 200 Prozent. Wenn man das aber ignorieren kann, wie viele der wohlhabenden Einwohner der Hauptstadt, dann sieht zumindest alles aus wie immer. Der Teich. Die Geschäfte. Die Touristen, die die Parkbank inspizieren, auf der Bulgakows Meisterwerk beginnt.

Axel Storm ist ZDF-Korrespondent in Moskau.

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