G7-Gipfel: Warum der Protest in München so klein ausfällt

    Wenig Demonstrierende in München:Warum der G7-Protest diesmal so leise ist

    26.06.2022 | 09:47
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    Die erste Demo in München zum G7-Gipfel ist ruhig verlaufen. 2017 hatte es beim G20-Gipfel in Hamburg Randale und Verwüstungen geben. Was ist diesmal anders?

    Dass es am Samstag in der bayerischen Landeshauptstadt vor dem G7-Gipfel keine Randale wie vor fünf Jahren auf der Hamburger Schanze geben würde, damit war zu rechnen. Doch die nur etwa 6.000 Demonstranten waren überraschend wenige - im Vergleich zum ersten G7-Gipfel auf Schloss Elmau 2015, als fast 35.000 in München protestierten. Auch der linksradikale "schwarze Block" blieb eher ein Blöckchen. Sieben Gründe, warum es in München ruhiger zugehen könnte:

    1. München ist nicht Hamburg  

    Hinweise auf weniger Proteste als bei vergangenen Gipfeln gab es schon vorher. Die Mobilisierung sei geringer, hieß es unisono bei der Polizei. Die linke Szene in München und auch in ganz Bayern ist grundsätzlich eher schwächer ausgeprägt.
    Und: Ein Hamburg 2.0 wollte Kanzler und Gastgeber Olaf Scholz auf jeden Fall vermeiden. 2017 erlebte er als erster Bürgermeister beim G20-Gipfel in der Hansestadt eine bitterböse Überraschung. Es gab gewalttätige Ausschreitungen, nur einen Steinwurf entfernt vom Gipfelgeschehen in der Hamburger Messe. Die Bilder gingen um die Welt. Dass 2015 in Elmau alles regelrecht bilderbuchartig verlief, dürfte die erneute Wahl des Tagungsortes mit beeinflusst haben.
    Brennende Straßenblockaden bei G20-Demonstration in Hamburg 2017
    Brennende Straßenblockaden bei den G20-Demonstrationen in Hamburg 2017 - nur einen Steinwurf entfernt vom Gipfelgeschehen in der Hamburger Messe.
    Quelle: dpa

    2. Ein Gipfel jagt den nächsten

    Das G7-Treffen liegt zeitlich genau zwischen EU- und Nato-Gipfel, der gleich anschließend in Madrid stattfindet. Die internationale Mobilisierung könne auch dadurch beeinflusst sein, vermutet der Münchner Einsatzleiter und Polizeivizepräsident, Michael Dibowski.

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    3. G7 ist diesmal ein Anti-Putin-Treffen

    Uwe Hiksch, Anmelder der Münchner G7-Großdemonstration, erklärt die eher enttäuschende Teilnehmerzahl mit dem Krieg. Gerade im rot-grünen Spektrum, das man normalerweise für die Demos mobilisiere, sagten derzeit viele: "Es ist jetzt nicht die Zeit, dass man eine Gegenposition zu den Regierungschefs bezieht."
    Der Krieg überschatte den Gipfel, sagt auch Annemarie Räder vom Bund Naturschutz. Gegen das Vorgehen der G7 gegen Putin könne sie auch nicht richtig opponieren. "Die G7 muss ja mit dem Angriffskrieg umgehen."

    4. Weder Trump noch TTIP polarisieren

    Dazu kommt, dass dieses Mal ein Aufregerthema fehlt. 2015 habe das Freihandelsabkommen TTIP viele Menschen mobilisiert, sagt Räder. Dabei fürchteten viele um Verbraucher- und Arbeitnehmerrechte. Bei G20 habe Donald Trump seine Gegner mobilisiert, erklärt Thorben Becker (50) aus Berlin, ebenfalls vom BUND. Therese Gmelch, 67, von der kommunistischen MLPD glaubt: "Corona, Krieg, Inflation - alles prasselt auf die Leute ein."

    5. Der bayerische Abschreckungseffekt

    Die Polizei hat für G7 massiv Kräfte aufgefahren und ist in Bayern im Durchgreifen geübt. Mancher überlege sich, ob er von Hamburg aus losfahre und riskiere, schon im Vorfeld abgefangen zu werden oder in Garmisch-Partenkirchen in einer der eigens eingerichteten 150 Arrestzellen zu landen, meint York Runte, der das Aktionscamp in Garmisch-Partenkirchen angemeldet hat.
    Die bayerischen Behörden haben angekündigt, potenzielle Störer aus dem Verkehr zu ziehen. Drei Wochen lang wird an deutschen Grenzen zu den Nachbarländern kontrolliert. Nicht nur an Straßen, auch in Zügen und an Wanderwegen wird gecheckt.
    Das Treffen der G7 auf Schloss Elmau verlangt den Menschen in der Region einiges ab. 16 Kilometer Zäune durch Gebirgswälder, fast 18.000 Polizisten im Einsatz, dazu Demos und Dauerkundgebungen und keine Touristen.25.06.2022 | 4:02 min

    6. Sommerwelle und Sonnenschein

    Die Angst vor dem Coronavirus und der Sommerwelle könnten manchem die Lust auf Protest verdorben haben. Und: In Corona-Zeiten gingen eigentlich nur noch Querdenker in großer Zahl auf die Straßen. Womöglich müssen sich die Demonstranten für eine bessere Welt nach den beiden Pandemie-Jahren erst wieder warmlaufen.
    Denkbar ist auch, dass manche wegen des Sonnenscheins andere Pläne hatten: "Es ist sehr heiß, viele sind vielleicht am See", meint Anne-Cathrin Hummel von der Welthungerhilfe aus Bonn.

    7. Der Trend geht zu kleiner und regionaler

    York Runte verweist darauf, dass es gerade beim Klima eher kleinere Kundgebungen gibt. "Großdemonstrationen nehmen meiner Meinung nach ab. Das Ganze wird ein bisschen regionaler und flexibler."
    Ein Grund beim G7-Gipfel sei auch die kurze Vorbereitungszeit von nur gut einem halben Jahr. "Wenn jemand schon gewisse Pläne für 2022 hatte, dann lässt nicht jeder sein ursprüngliches Konzept fallen", meint Runte. "2015 ist anderthalb Jahre vorher der Termin bekannt geworden."
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    Quelle: Sabine Dobel, Nico Pointner und Henning Otte, dpa
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