Ein Shiba gegen Russland: Internetnutzer setzen im Kampf gegen Moskaus Troll-Kampagnen auf Hunde in Uniform. Das "Nafo"-Meme hat durchschlagenden Erfolg. Auch Politiker machen mit.
Ein wirkungsvoller Krieg ohne Waffen: Internetnutzende bekämpfen russische Fakenews mit Humor und echten Argumenten. Denn es gibt massenhaft gefälschte Nachrichtenseiten.
Oleksij Resnikow ist nicht unbedingt für Späße bekannt. Seit einem Dreivierteljahr ist der 56-Jährige Verteidigungsminister der Ukraine - ein halbes Jahr davon als Chef einer Armee im Verteidigungskrieg. Wenn er sich an die Öffentlichkeit wendet, geht es meist um Waffen, die sein Land vom Westen bekommt.
Vor ein paar Tagen aber sah Resnikow auf Twitter plötzlich anders aus: statt des Ministers war dort ein Comic-Hund zu sehen. Ein Hund als Profilbild? War der Account gehackt worden?
Nein - Resnikow selbst hatte sein Bild ausgetauscht. Zum Dank für die Arbeit der "Nafo-Fellas".
Was steckt hinter dem "Nafo"-Meme?
Nafo: Das Akronym steht für "North Atlantic Fellas Organization" ("Nafo"), was man vielleicht mit "die Nordatlantik-Typen" übersetzen könnte. Ein loser Zusammenschluss von mittlerweile Tausenden Internet-Nutzern, die auf Twitter russische Desinformationskampagnen bekämpfen. Ihr Erkennungszeichen: ein gezeichneter Hund - ein Shiba Inu, eine japanische Hunderasse.
Wie wirkt Russlands Propaganda?
Es sind Leute wie Martin Walther, ein 44-jähriger Kaufmann aus Dresden. Wie Jordan Maris, ein 27-jähriger britisch-französischer Mitarbeiter einer Abgeordneten des Europaparlaments. Oder Sarah, 24, aus Süddeutschland, die ihren vollen Namen aus Sorge vor Hetze nicht veröffentlichen will. Sie alle twittern, teils Stunden am Tag, versuchen, russischen Kampagnen etwas entgegenzusetzen: Argumente, Fakten, Humor.
"Jedes Mal, wenn wir auf Twitter einen russischen Propaganda-Account lahmlegen, kann er in dieser Zeit keine Propaganda verbreiten", sagt Sarah. "Die russische Propaganda agiert sehr stumpf, das lässt sich leicht vorführen", sagt Martin Walther. "Und die Menschen nehmen das wahr, ob hier im Westen oder in der Ukraine."
Russischer Botschafter verliert Nerven in Diskussion mit "Nafo"-Trollen
Wer das als Spinnerei von ein paar Internet-Nutzern abtut, liegt falsch. Nicht nur, weil jedes "Nafo"-Mitglied, um einen Avatar, ein Profilbild, im Hunde-Stil zu bekommen, eine Spende nachweisen muss und so mittlerweile nach Angaben der Organisation einige Hunderttausend Euro zusammenkamen - eingesetzt für echte Waffen oder humanitäre Hilfe in der Ukraine.
Sondern auch, weil manche Beispiele zeigen, wie wirkungsvoll der Internet-Kampf ist. Etwa bei Michail Uljanow, russischer Botschafter Russlands bei den internationalen Organisationen in Wien. Uljanow ließ sich in Diskussionen mit "Nafo"-Twitterern verwickeln - und verlor seine Nerven. Für zwei Wochen zog er sich aus Twitter zurück. Mittlerweile ist er zurück, hat aber die Kommentarfunktion abgeschaltet.
Es wird die eigene Stärke betont, beleidigt und gedroht: Mit Spott und Häme berichten russische Staatsmedien über die deutsche Gaskrise. Propaganda - bis die Russen daran glauben.
Reaktion der westlichen Zivilgesellschaft auf russische Kampagnen
Es ist der Kampf um Deutungshoheit, der längst im digitalen Raum ausgefochten wird. Pro-russische Kampagnen arbeiten mit teils sehr professionell gemachten Fakenews-Seiten - jetzt kontert die westliche Zivilgesellschaft. "Oft haben russische Accounts mit ihren Kampagnen die sozialen Medien beherrscht", analysiert Tobias Fella, der als Politikwissenschaftler regelmäßig Bundeswehr-Soldaten im Umgang mit sozialen Medien schult.
Dass die "Nafo" von der CIA finanziert werde, ist dabei bloß ein selbstironischer Witz unter den Twitterern. Tatsächlich taucht die Idee erstmals vor wenigen Monaten auf: in einem Tweet eines polnischen Internetnutzers namens "Kama Kamilia". Wenige Monate später ist die Idee so groß geworden, dass sich sogar der ukrainische Verteidigungsminister erkenntlich zeigt.
An diesem Sonntag nun änderte er sein Profilbild wieder zurück: in das des ernst dreinblickenden Ministers. Der "Nafo" aber bleibe er verbunden, schreibt Resnikow.
Mehr zu den "Nafo"-Memes und den Menschen dahinter können Sie am Sonntagabend um 21:45 Uhr im "heute journal" im ZDF-Hauptprogramm sehen.
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