Vor dem Nato-Gipfel in Madrid erklärt der Nationale Sicherheitsberater der USA die neue Strategie des Bündnisses. Die Nato werde von nun an mehr Kampfbereitschaft demonstrieren.
Jake Sullivan hat ein neues Wort erfunden - jedenfalls kannte ich es bis jetzt noch nicht: "combat-credible", das heißt wohl wörtlich übersetzt "kampfglaubwürdig". Der Nationale Sicherheitsberater der USA erklärt den Journalisten an Bord des Präsidentenflugzeugs Air Force 1 auf dem Weg nach Madrid die wichtigsten Eckpunkte dieses Nato-Gipfels aus amerikanischer Sicht.
Wladimir Putin, so das Ziel, muss glauben, dass die Verbündeten jederzeit zum Kampf bereit und fähig sind. Und das soll er vor allem an drei Punkten erkennen: Zum ersten die unerschütterliche Geschlossenheit gegenüber Russlands Angriffskrieg. Die Ukraine soll alles bekommen, von weitreichenden Raketen bis zu Panzern westlicher Bauart, um so viel verlorenes Gelände wie möglich zurückzuerobern.
Putin zu Verhandlungen zwingen?
Putin soll an einen Punkt kommen, an dem er selbst verhandeln will, weil ihm nicht nur die Munition ausgeht, sondern seine gesamte Rüstungsindustrie lieferunfähig wird, weil sie keinerlei technisches Know-How aus dem Westen mehr bekommt.
Zum zweiten, die geplante massive Verstärkung der Ostflanke mit teils permanenten Militärbasen in mehreren osteuropäischen Ländern und zum dritten der unvermeidbare Nato-Beitritt von Schweden und Finnland. All das sind Elemente einer großen Gesamtstrategie, die US-Präsident Joe Biden Stück für Stück vorantreibt.
Konflikt zwischen Demokratie und Autoritarismus
Die einzelnen Puzzleteile lassen eine Zukunft erahnen, die manchen nicht gefällt, aber dennoch unvermeidlich ist - ein schwärender Konflikt zwischen Demokratie und Autoritarismus, der sich immer wieder entladen könnte, ähnlich wie in der Ukraine.
Joe Bidens Rezept dagegen: Alte und neue Allianzen stärken und miteinander vernetzen. Es ist kein Zufall, dass wichtige Verbündete Amerikas in der indo-pazifischen Region am Gipfel in Madrid teilnehmen. "Nicht weil die Nato jetzt Kriege im Pazifik kämpfen wird", so Sicherheitsberater Sullivan, "sondern weil es eine Verbindung gibt zwischen der Stärke und Vitalität unserer asiatisch-pazifischen und europäisch-atlantischen Bündnisse."
Die autoritären Staaten wie der Wirtschaftsgigant China und das ressourcenreiche Russland haben ihren Einfluss massiv ausgebaut.
Globale Wertegemeinschaft
Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland gehören zur Wertegemeinschaft dazu, die gewissermaßen das bisher vorangestellte Adjektiv "westliche" durch "globale" ersetzen will. Gemeinsame Werte, so die Lesart, erfordern künftig noch viel mehr auch ein geschlossenes und entschlossenes Handeln, wenn autoritäre Mächte wie Russland und China Völker- und Menschenrechte mit Füßen treten.
Ein Angriff der chinesischen Volksbefreiungsarmee auf Taiwan müsste dann zwangsläufig genauso harte Konsequenzen nach sich ziehen wie der russische Einmarsch in der Ukraine. Für die militärische Einsatzfähigkeit und Abschreckung gegenüber chinesischen Provokationen bleiben natürlich weiter die Anrainerstaaten des Pazifiks zuständig, aber sie brauchen die Unterstützung der transatlantischen Allianz, um im Fall des Falles ein wirksames Sanktionsregime durchzusetzen.
"Insgesamt wird China nicht darauf schauen, was in Elmau besprochen wird, sondern welche Taten diesen Worten folgen werden", so Miriam Steimer, ZDF-Korrespondentin in Peking.
Einigkeit durch den Ukraine-Krieg
Die Einigkeit, die aus dem Schockerlebnis Ukraine-Krieg entstanden ist, wollen und müssen die Verbündeten in einen dauerhaften Zusammenhalt verwandeln, der auf Werten und einer entsprechenden Strategie beruht. China scheint davon beeindruckt. Groß war die Sorge, dass es Russland militärisch unterstützen und beim Unterlaufen der Sanktionen helfen könnte. "In beiden Punkten können wir dies bisher nicht erkennen", sagt Sicherheitsberater Sullivan an Bord von Air Force 1.
Die neue Nato-Strategie wird, anders als die alte, China namentlich erwähnen und klare Worte gegen das chinesische Säbelrasseln im Indopazifik enthalten. Die US-Regierung sieht in dem autoritären Regime in Peking die größte Bedrohung für Demokratie und Freiheitsrechte, die nur dann erhalten bleiben, wenn Verbündete gemeinsam gegenhalten.