Deutschland wehrte sich jahrelang in der Nato gegen verbindliche Ziele für die nationalen Verteidigungsausgaben. Der neue Verteidigungsminister Pistorius will den Kurs ändern.
Beim NATO-Treffen in Brüssel hat Verteidigungsminister Pistorius das bisherige Zwei-Prozent-Ziel als künftige Untergrenze bezeichnet. Die Bündnispartner teilten diese Einschätzung.
Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius hat sich für ein deutlich schärferes Nato-Ziel für Verteidigungsausgaben ausgesprochen - unterstützt von Kanzler Olaf Scholz.
Er teile die Einschätzung von Bündnispartnern, dass Ausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) künftig die Untergrenze sein sollten, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch am Rande eines Nato-Verteidigungsministertreffens in Brüssel. Dies sei auch die Position des Kanzlers und des SPD-Parteivorsitzenden Lars Klingbeil.
Mindestens zwei Prozent des BIP für Verteidigung
Pistorius spielte damit auf das aktuelle Ziel der Nato an. Dieses sieht vor, dass sich alle Bündnisstaaten bis 2024 dem Richtwert annähern, mindestens zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung auszugeben.
Zuletzt hatten sich nach Angaben von Diplomaten vor allem östliche Bündnisstaaten wie Polen und Litauen sowie Großbritannien dafür ausgesprochen, angesichts von Russlands Krieg gegen die Ukraine strengere Vorgaben zu vereinbaren.
Die Verteidigungsminister der Nato-Staaten beraten zum Abschluss ihres Treffens über Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten. Angesichts des Kriegs ist geplant, die Anzahl der Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft von 40.000 auf 300.000 zu erhöhen.
Deutschland weit unter zwei Prozent
Für Deutschland würde eine Verschärfung des Nato-Ziels Stand heute eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben um einen zweistelligen Milliardenbetrag erfordern. Bislang gibt die Bundesrepublik deutlich weniger als zwei Prozent des BIP für Verteidigung aus.
Für 2022 wurde nach vorliegenden öffentlichen Zahlen zuletzt nur eine Quote von 1,44 Prozent erwartet - auf Grundlage von Verteidigungsausgaben nach Nato-Standard in Höhe von 55,6 Milliarden Euro.
Pistorius: Abstimmung bald abgeschlossen
Zur Frage, ob seine Position die deutsche Position für die Nato-Verhandlungen ist, sagte Pistorius am Mittwoch:
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), kündigte in der "Rheinischen Post" bereits ihre Unterstützung an.
Heute hat der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius das Amt offiziell übernommen. Vor ihm liegen gewaltige Aufgaben: Er muss die Bundeswehr neu aufbauen und morgen die deutsche Position in der Panzerfrage vertreten.
Diplomaten: Bundesregierung hält Vorgaben vage
Sollte sich Deutschland in der Nato dem Lager derjenigen Länder anschließen, die aktiv für ein klares und ambitioniertes Ziel bei den Verteidigungsausgaben eintreten, wäre das ein klarer Kurswechsel. Nach Angaben von Diplomaten bemühte sich die Bundesregierung bislang, Vorgaben so vage wie möglich zu halten.
Dabei wurde argumentiert, dass die BIP-Quote nur wenig über die Leistungsfähigkeit von Streitkräften aussage und Nato-Ziele etwa für militärische Fähigkeiten und ihre Einhaltung deutlich wichtiger und aussagekräftiger seien.
Frage um andere Politikbereiche
Ein möglicher Streitpunkt innerhalb der Bundesregierung könnte die Frage werden, was eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe für andere Politikbereiche bedeuten würde.
Aus dem Finanzministeriums hatte es so zuletzt geheißen, dass es sehr schwierig werden könnte, gleichzeitig das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel für die Unterstützung von Entwicklungsländern zu erfüllen.
Im Abnutzungskrieg drohen der Ukraine Munition und Ersatzteile auszugehen. NATO-Generalsekretär Stoltenberg fordert beim NATO-Treffen schnellere Unterstützung für die Ukraine.
USA zahlen am meisten
Spitzenreiter im Verhältnis von Wirtschaftskraft und Verteidigungsausgaben sind innerhalb der Nato die USA. Sie lagen nach Bündniszahlen zuletzt bei einer Quote von 3,47 Prozent.
Mit 822 Milliarden US-Dollar (765 Mrd. Euro) zahlten sie zuletzt mehr als doppelt so viel Geld für Verteidigung wie alle anderen Bündnisstaaten zusammen.
Stoltenberg: Minimum seien zwei Prozent
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte am Mittwoch in der Abschlusspressekonferenz zum Verteidigungsministertreffen, es liege auf der Hand, dass mehr Geld für Verteidigung ausgegeben werden müsse und dass Ausgaben in Höhe von zwei Prozent des BIP das Minimum sein sollten.
In Europa gebe es einen großen Krieg. Hinzu kämen die anhaltenden Gefahren durch Terrorismus und die Sicherheitsherausforderungen durch China.