Russland konzentriert Truppen an der ukrainischen Grenze, die Nato ist in Alarmbereitschaft. Vor dem Treffen der Nato-Außenminister in Riga ist die Sorge groß wie lange nicht.
Spannungen und Eskalation zwischen Nato und Russland – auch deshalb treffen sich die Außenminister in einem „Frontstaat“. Weiter soll die Flüchtlingskrise ein Nato-Thema werden.
Die eine Frage ist immer dabei. Da können die Außenminister der Nato bei ihrem Treffen in Riga an diesem Dienstag und Mittwoch diskutieren, was sie wollen – über die Lage in Belarus, die Ukraine, den Westbalkan oder das neue "Strategische Konzept" der Nato selbst.
"Das schwingt einfach immer mit", klagt ein westlicher Diplomat vorab. Die Frage, auf die derzeit keiner außerhalb des Kreml eine verlässliche Antwort geben kann.
Was hat Präsident Putin nur vor?
Westliche Geheimdienste, aber auch die Ukraine selbst berichten seit Wochen von ungewöhnlichen Truppenaufmärschen direkt an der Grenze zur Ukraine. Satellitenbilder belegen dies - eine Konzentration, die viele an die russische Annexion der Krim durch Russland 2014 erinnert.
"Das macht uns große Sorgen", so sagen es unisono westliche Diplomaten. Und etwas weniger verklausuliert Carlo Masala, Professor für internationale Politik an der Bundeswehr-Universität München im Gespräch mit ZDFheute:
Dass Russland also die Chance sieht, Anfang nächsten Jahres die Ostukraine für sich einzunehmen.
Kreml-Rhetorik schärfer als je zuvor
So ähnlich klangen manche Warnungen schon einmal in diesem Jahr – als Moskau im April Truppen in einer ähnlichen Größenordnung an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren ließ. Nur, dass der russische Präsident Putin die Soldaten damals nach wenigen Wochen wieder abzog. Denkbar, dass genau das wieder passiert.
Ein hochrangiger Diplomat aber hält die Lage diesmal für gefährlicher. Das Dementi, das Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am vergangenen Montag im russischen Staatsfernsehen abgab – die Truppenkonzentration stelle für niemanden eine Bedrohung dar – zumindest überzeugt nicht.
Im Gegenteil, die Rhetorik des Kreml sei schärfer als jemals zuvor, die Fixierung Putins auf die Ukraine bekannt. Als wahrscheinlichstes Szenario müsse man derzeit von einem Angriff ausgehen, womöglich im Januar.
Wie reagieren auf eine mögliche Invasion Russlands?
Die Nato-Außenminister wollen sich auf ihrem Treffen in Riga über die Lage austauschen. Und darüber, wie man im Ernstfall reagiert.
Vorab lässt sich niemand in die Karten blicken. Nur so viel: eindeutige Signale senden, abschrecken – das kann nicht schaden. Vorab schon warnt Generalsekretär Stoltenberg vor "massiven Konsequenzen" für den Fall eines Angriffs. Und betont gleichwohl, dass ein Angriff auf die Ukraine kein Bündnisfall für die NATO sei - der gelte schließlich nur für Mitgliedstaaten.
"Ich glaube, die Nato sollte die Botschaft senden, dass eine mögliche russische Invasion ernsthafte Konsequenzen haben würde, auch militärischer Art", sagt Politikwissenschaftler Masala. Selbstverständlich in der Hoffnung, dass diese Konsequenzen nie gezogen werden müssten.
Ukraine bei Nato-Gipfel zu Gast
Ausgerechnet in dieser Lage empfangen die Nato-Außenminister am Mittwoch in Riga ihre Amtskollegen aus Georgien und, ausgerechnet, der Ukraine. Beiden Staaten hatte die Nato auf ihrem Gipfeltreffen 2008 einen Beitritt in Aussicht gestellt – für "irgendwann in der Zukunft".
Eine Perspektive, der Russland schon damals mit großer Verärgerung begegnete. Und dennoch dürfte die Nato die Aussicht auf einen Beitritt in Riga in diesen Tagen noch einmal bekräftigen. "Das ist ein wichtiges Signal: dass der Westen nicht vor russischer Aggression einknickt", urteilt Carlo Masala.
Die große Frage bleibt aber auch hier: wie Moskau darauf reagiert.
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