Russland sei bereit, militärische Gewalt einzusetzen, macht Nato-Generalsekretär Stoltenberg im ZDF klar. Die Nato stehe nach ihrem Grundsatz zusammen, für die Sicherheit Europas.
Der sogenannte Nato-Russland-Rat tagt und das vor dem Hintergrund einer düsteren Droh-Kulisse. Kreml-Chef Wladimir Putin fährt gleich von drei Seiten mit Soldaten und Kriegsgerät an der Grenze zur Ukraine auf. Was Putin genau vor hat und wie es im Ukraine-Konflikt weitergeht, darüber sprach Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg im ZDF-Interview.
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Ist Russland Gegner oder Partner?
"Ich denke, die Welt ist vielschichtiger", sagte Stoltenberg.
Russland befinde sich im militärischen Aufbau mit schweren Waffen und es ziehe Truppen zusammen, beides kombiniert mit einer aggressiven Rhetorik. "Wir rufen Sie auf zur Deeskalierung, sagen aber auch deutlich, wenn Ihr noch einmal Gewalt einsetzt gegen die Ukraine, dann wird das schwere wirtschaftliche und politische Konsequenzen haben."
Wie verlaufen die Gespräche im Nato-Russland-Rat?
Die Gespräche seien nicht einfach, "aber sie waren offen und wurden frei geführt". "Und das ist ein gutes Zeichen, dass die Nato-Verbündeten und Russland jetzt wieder am selben Tisch sitzen können und substanzielle Fragen ansprechen können." Man habe sich im Nato-Russland-Rat lange nicht gesehen, "mehr als zwei Jahre".
"Dass die Gespräche nicht einfach sind, heißt nicht, dass sie nicht sehr wichtig wären. Das ist ein wichtiges Meeting heute, und wir haben deutlich gemacht, dass wir uns auf ganz ernsthafte Fragen konzentrieren wollen, im beiderseitigen Interesse. Und dann hoffen wir, dass da eine positive Reaktion kommt und ein kontinuierlicher Dialog."
Was plant Wladimir Putin?
"Es gibt keine Gewissheit bezüglich der Intentionen", stellt Stoltenberg fest. Dafür sehe man die Fakten:
Gleichzeitig würden die Nato-Verbündeten Russland deutlich machen, dass alles seinen Preis habe. "Wir tun was wir können, um sie abzuhalten vom Einsatz von Gewalt."
Im Konflikt mit Russland hätten die Nato-Verbündeten der Ukraine Unterstützung zugesagt. "Sie helfen dem Land, sein Grundrecht auf Selbstbestimmung und Selbstverteidigung auszuüben. Und wir helfen ihnen und heben damit auch wiederum die Schwelle an für einen Militäreinsatz gegen die Ukraine."
Dabei müsse sichergestellt werden, dass es "keine Missverständnisse bezüglich der Bereitschaft der Nato" gebe, auch Angriffe gegen Verbündeten zu sanktionieren. Er denke zum Beispiel an Litauen und Lettland.
Kann Nord Stream 2 vor dem Hintergrund des Konflikts in Betrieb gehen?
Es gibt laut Stoltenberg "verschiedene Ansichten bezüglich Nord Stream 2 unter den Bündnispartnern". Einig sei man "bezüglich der Notwendigkeit, auch die Diversifizierung in Energiefragen sicherzustellen". "Klar, wir sind dreißig verschiedene Bündnispartner auf beiden Seiten des Atlantiks, unterschiedliche Geschichte, unterschiedliche Schwerpunkte, da sind Riesenunterschiede."
Bezüglich ihrer Kernverpflichtung stünden die Bündnispartner zusammen: "Wir sind bereit einander zu schützen und zu verteidigen, und wir senden da ganz klare Botschaften aus gegen mögliche Gegner."
Solange es gelinge, dass die Nato so auftrete, "wahren wir den Frieden, verhindern wir Konflikte und stellen sicher, dass alle Bündnispartner sicher sind. So wie die Nato das seit mehr als 70 Jahren tut."
Wie geht es weiter im Ukraine-Konflikt?
Für die Nato sind die russischen Forderungen nicht akzeptabel. Was die Nato umgekehrt anbietet, das stellt Russland nicht zufrieden. Auf die Frage, wie es weitergehen soll, sagt Stoltenberg: "Eine solche Diplomatie kann man nicht in der Öffentlichkeit betreiben. Da müssen wir direkte Gespräche mit den involvierten Ländern führen."
Stoltenberg begrüßt die Gespräche. "Wir haben deutlich gemacht, dass wir gesprächsbereit sind, und bereit sind, über viele Themen, wie Rüstungskontrolle zu reden, eine beiderseits ausgewogene Reduzierung sowohl der taktischen als auch der konventionellen Waffen. Dazu ist die Nato bereit, und ich bin ganz gewiss, dass das auch so weitergehen wird."
Gleichzeitig sei man aber auch "zu Kompromissen bereit". Darum gehe es bei der Ausgewogenheit in der Rüstungskontrolle. Strikt dagegen sei man, wenn es um die europäische Sicherheit gehe: "Aber wir sind nicht zu Kompromissen in Kernprinzipien der europäischen Sicherheit bereit. Und das ist zumindest mal das Recht jedes Landes, seinen Weg zu definieren, unabhängig von Sicherheitsvorkehrungen."
- Hoffnungsschimmer in der Krise?
Erstmals seit zwei Jahren tagt der Nato-Russland-Rat - vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise. Die Erwartungen an das Treffen sind gering. Worum es beim Rat geht: ein Überblick.