Zwei Prozent der Landfläche in Deutschland soll per Vorschrift Wildnis sein. Bundesweit sind es nur 0,6 Prozent. Eine Frontal21-Umfrage zeigt: Kein Bundesland erreicht die Vorgabe.
Förster und Buchautor Peter Wohlleben betont gegenüber dem ZDF-Magazin Frontal21, wie wichtig Wildnis für die Artenvielfalt ist.
Nur größere Ökosysteme könnten besser Katastrophen wie Stürme oder eine massive Insektenplagen überstehen.
Wildnisgebiete in Schleswig-Holstein zu klein
Tatsächlich schreibt das Bundesamt für Naturschutz vor, dass Wildnisgebiete mindestens 1.000 Hektar groß sein sollen, in Ausnahmefällen 500 Hektar.
Doch am Beispiel Schleswig-Holstein zeigt sich, dass die Umsetzung dieser Vorgabe nicht überall befolgt wird. "Auf einem guten Wege" sieht sich Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Jan Philipp Albrecht mit 1,9 Prozent "bereits ermittelter Wildnisgebiete".
Allerdings lässt Albrecht die Mindestgröße von 1.000 Hektar außer Acht und zählt auch Flächen ab 50 Hektar als "Wildnis". Würden beim nördlichsten Bundesland die Maßstäbe wie bei allen anderen Ländern angelegt, käme es nur auf bescheidene 0,49 Prozent Wildnis.
Nur 0,19 Prozent Wildnis-Fläche in NRW
Schlusslicht in der Frontal21-Länderumfrage ist das Flächenland mit der höchsten Bevölkerungsdichte: Nordrhein-Westfalen kommt nur auf 0,19 Prozent Wildnis in der Kernzone des Nationalparks Eifel. Andere Länder mit mehr Natur könnten das ausgleichen, doch die Umfrage beweist, dass kein einziges Flächenland auch nur das vom Bund vorgegebene Minimalziel von zwei Prozent erreicht. Definiert sind Wildnisgebiete als "ausreichend große, (weitgehend) unzerschnittene, nutzungsfreie Gebiete".
Was können wir vom Wald lernen?
Solche Gebiete finden sich hierzulande vor allem in den Kernzonen der Nationalparks. Mit Bayrischem Wald und dem Nationalpark Berchtesgaden kommt das größte Flächenland Bayern nur auf 0,45 Prozent Wildnis. Da der Freistaat kürzlich den Schutz für einige große Waldgebiete beschlossen hat, schiebt er sich mit 0,63 Prozent ins Mittelfeld.
Doch bisher stehen hier vor allem Nadelwälder unter Schutz. Schon lange fordern Naturschützer einen dritten Nationalpark in Franken mit seinen besonders wertvollen Laubwäldern Spessart und Steigerwald. Umfragen zeigen dafür hohe Zustimmungswerte. Kein Wunder also, dass die Grünen mit der Forderung Wahlkampf machen.
Platz eins bei Wildnisflächen: Mecklenburg-Vorpommern
Dabei zeigt die ZDF-Umfrage, dass es in grün regierten Ländern wenig Wildnis gibt: Die waldreichen Länder Rheinland-Pfalz (0,54 Prozent) und Hessen (0,48 Prozent) schneiden schlechter ab als Bayern. Baden-Württemberg, wo die Grünen seit zehn Jahren den Ministerpräsidenten stellen, schneidet mit 0,22 Prozent fast so schlecht ab wie das viel dichter besiedelte NRW. Sachsen-Anhalt (0,37 Prozent), Thüringen (0,48 Prozent) und Niedersachsen (0,55 Prozent) liegen unter dem Bundesdurchschnitt, Sachsen mit 0,6 Prozent im Mittelfeld.
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Dank seiner verwilderten Truppenübungsplätze und Tagebauflächen schneidet Brandenburg mit 0,78 Prozent besser ab. Mehr Wildnis gibt es im Saarland (0,97 Prozent) und in Mecklenburg-Vorpommern mit seinen ausgedehnten Nationalparks (1,58 Prozent).
Merkel fordert globale Trendwende
"Wir brauchen eine globale Trendwende", forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Nur so lasse sich das dramatische Artensterben aufhalten. "Mit wir meine ich alle Staaten", stellte Merkel klar.
Diese mahnenden Worte formulierte Merkel anlässlich ihrer Grußbotschaft an den Biodiversitätsgipfel in New York am 30. September 2020. An seinen eigenen Ansprüchen ist Deutschland bei der Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie krachend gescheitert.