Nawalny erholt sich in Deutschland noch von dem Giftanschlag - während in seiner Heimat erneut Anklage gegen ihn erhoben wird: Die russische Justiz wirft ihm Betrug vor.
Der Thriller um Alexei Nawalny geht in die nächste Runde. Während sich der russische Oppositionspolitiker in Deutschland von einem Giftanschlag erholt, erhebt die Justiz in seiner Heimat neue, schwere Vorwürfe: Nawalny soll Gelder im großen Stil veruntreut und sich persönlich bereichert haben. Sollte er verurteilt werden, drohen ihm bis zu zehn Jahren Haft.
Die Vorwürfe: Spendengelder abgezweigt
Die Mitteilung kam gestern Abend zu später Stunde: Die Justizbehörden teilen mit, dass gegen den 44-jährigen Nawalny ermittelt werde: Wegen des Verdachts auf "groß angelegten Betruges". Nawalny soll 356 Millionen Rubel (rund 3,9 Millionen Euro) aus Spendengeldern abgezweigt und sie unter anderem für Urlaube im Ausland und den Erwerb von persönlichem Eigentum verwandt haben.
Pikant: Die Gelder stammen nach Aussagen der Justiz aus Spendeneinnahmen, die wiederum an Nawalnys Anti-Korruptions-Organisationen geflossen sein sollen.
Bei einem Giftattentat sollte er wohl aus dem Weg geräumt werden, doch er überlebte: Kreml-Kritiker Alexej Nawalny. Jetzt hat er nach eigenen Angaben einen der Täter gefunden.
Der Druck auf Nawalny wächst
Gegen Nawalny wurde in den vergangenen Jahren immer wieder ermittelt. Zu diesem Zeitpunkt aber ist klar: Russland erhöht den Druck auf den Oppositionspolitiker, der sich nach einem Giftanschlag im August in der Berliner Charité behandeln ließ und nur knapp überlebte.
Nawalny behauptet, der russische Geheimdienst FSB sei für das Attentat mit einem Nervengift aus der Nowitschok-Gruppe verantwortlich. Der Kreml bestreitet jede Beteiligung an der Tat. Die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland sind seitdem belastet.
Russland hat als Reaktion auf EU-Sanktionen wegen der Vergiftung des Kremlkritikers Nawalny ein Einreiseverbot für weitere EU-Beamte ausgesprochen. Dazu ZDF-Korrespondentin Phoebe Gaa.
Vor zwei Tagen bereits ließ die russische Strafvollzugsbehörde vernehmen, dass man Nawalnys Rückkehr nach Russland unmittelbar erwarte - ansonsten drohe ihm eine Inhaftierung. Nawalny verstoße durch seine Abwesenheit aktuell gegen Bewährungsauflagen. Nawalny war in einem einem früheren Verfahren zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden.
Nawalnys Reaktion
Nawalny ist ein Großmeister der Selbstinszenierung, das hat er nicht zuletzt mit den YouTube-Videos zum Giftanschlag gezeigt. Auf Twitter äußert er sich zu den neuen Anschuldigungen und sagt, sie seien von Russlands Staatschef Wladimir Putin "erfunden" worden.
Er forderte zudem seine Follower dazu auf, weiter für seine Organisationen zu spenden. Dies sei der "beste Weg, über den neuen Strafprozess zu lachen".
Kehrt Nawalny nach Russland zurück?
Das neue Kapitel im Fall Nawalny lässt den Ausgang des Dramas völlig offen. Nawalny hatte angekündigt, nach Russland zurückzukehren. Ob das im Lichte des neuen Strafverfahrens aber geschehen wird, bleibt unklar.
Warum die russische Justiz ausgerechnet jetzt, zu diesem Zeitpunkt, eine neue Anklage initiiert - darüber wird nicht nur in Moskau spekuliert.
-
Nawalny: "Ich habe meinen Mörder angerufen"
Im August brach Kreml-Kritiker Alexander Nawalny im Flugzeug zusammen. Diagnose: Nowitschok-Vergiftung. Nun soll sein mutmaßlicher Attentäter in einem Telefonat gestanden haben.