Im August brach Kreml-Kritiker Alexander Nawalny im Flugzeug zusammen. Diagnose: Nowitschok-Vergiftung. Nun soll sein mutmaßlicher Attentäter in einem Telefonat gestanden haben.
"Ich habe meinen Mörder angerufen, er hat gestanden" schrieb der russische Oppositionspolitiker Alexander Nawalny am Montag beim Online-Dienst Twitter. In dem Telefonat soll ein Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB eingeräumt haben, an dem Giftanschlag auf Nawalny beteiligt gewesen zu sein.
Inkognito-Anruf bei russischem FSB-Agenten
In einem Blog-Eintrag erklärte der Kreml-Kritiker, den FSB-Agenten Konstantin Kudrjawzew vergangene Woche unter falschem Namen angerufen zu haben, woraufhin dieser Details des Mordversuchs preisgegeben haben soll. Auf Youtube veröffentlichte Nawalny den Mitschnitt des mehr als 45-minütigen Telefonats.
Nawalny erklärte, er habe mit unterdrückter Nummer mehrere Angehörigen der Sicherheitsbehörden angerufen und sich als Assistent des Sekretärs des russischen Sicherheitsrats ausgegeben. Fast alle Angerufenen hätten demnach aufgelegt, außer einem, den Nawalny als den FSB-Agenten Kudrjawzew identifiziert haben will.
Moskau dementiert Giftanschlag
In dem Telefonat habe Kudrjawzew Hinweise gegeben, wer den Giftanschlag ausgeführt haben dürfte und wie die Tat vertuscht werden sollte. Nawalny veröffentlichte keinen Beweis zur Identität Kudrjawzews, schrieb aber, dass eine Stimm-Analyse seine Behauptung bestätigen würde.
Russische Behörden und der Kreml äußerten sich bisher nicht dazu. Auch eine Anfrage des ZDF lehnte die Russische Botschaft in Berlin ab.
Zuvor hatten der "Spiegel" sowie die Rechercheplattformen "Bellingcat" und "The Insider" von dem Telefonat berichtet. Der "Spiegel" hatte vor einer Woche bereits berichtet, dass ein Kommando aus acht FSB-Agenten für den Giftanschlag auf Nawalny am 20. August verantwortlich gewesen sei. Moskau hatte dies zurückgewiesen.
Nervengift in Unterhose aufgetragen?
In der Aufnahme sagt der mutmaßliche Kudrjawzew, die Täter hätten das Nervengift auf der Innenseite von Nawalnys Unterhose aufgebracht. Dass dieser überlebte, war demnach offenbar lediglich der Tatsache geschuldet, dass der Pilot der Maschine nach Nawalnys Zusammenbruch eine Notlandung in Omsk vorgenommen hatte.
Kudrjawzew gab an, nach der Notlandung und der Einlieferung Nawalnys in ein Krankenhaus gemeinsam mit einem weiteren FSB-Agenten nach Omsk gereist zu sein, um in der sibirischen Stadt Kleidungsstücke von Nawalny einzusammeln und Spuren des Gifts zu beseitigen.
Laut dem "Spiegel"-Bericht waren Kudrjawzew sowie der mutmaßliche Koordinator der Operation zur Vergiftung Nawalnys, Oleg Tajakin, vor dem Anschlag in die russische Küstenstadt Sotschi geflogen. Handydaten belegen demnach, dass sie sich dort in der Nähe der Residenz von Russlands Präsident Wladimir Putin aufgehalten hatten.
Der Fall Nawalny
Nawalny war am 20. August auf einem Flug vom sibirischen Tomsk nach Moskau zusammengebrochen. Zwei Tage später wurde der 44-Jährige, noch im Koma liegend, zur Behandlung in die Berliner Universitätsklinik Charité gebracht.
Nach Angaben von drei europäischen Laboren, deren Ergebnisse von der Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) bestätigt wurden, wurde Nawalny mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet.
Nawalny befindet sich noch immer in Deutschland, um sich von den Folgen des Giftanschlags zu erholen. Der Kreml-Kritiker hat in der Vergangenheit Putin persönlich für den Anschlag verantwortlich gemacht.