Mitte Juli dreht Russland die Nord-Stream-1-Pipeline temporär ab. Ob sie danach wieder ans Netz geht, bleibt fraglich. Die Bundesnetzagentur befürchtet Versorgungslücken.
In rund einer Woche beginnen jährliche Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream 1. Dann fließt - wie geplant - kein Gas durch die Leitung. Und danach? Die Bundesnetzagentur und das Wirtschaftsministerium befürchten einen längerfristigen Totalausfall der russischen Gaslieferungen - und warnen vor den Folgen.
Die Frage sei, ob aus der bevorstehenden regulären Wartung der Gaspipeline Nord Stream 1 "eine länger andauernde politische Wartung wird", sagte Netzagentur-Chef Klaus Müller den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". Eine daraus resultierende ungleiche Gasversorgung in Deutschland würde Hunderttausende Gasthermen lahm legen.
Bundesnetzagentur-Chef Müller befürchtet einen Totalausfall russischer Gaslieferungen. Die Frage sei, ob die reguläre Wartung der Gaspipeline zu einer politisch motivierten werde.
Die Gasthermen müsste dann "händisch von geschulten Fachkräften wieder freigeschaltet werden, wenn wieder Gas in der Region verfügbar wäre". Die Wiederherstellung der Gasversorgung würde sehr lange dauern, warnt Müller. Deswegen appelliert er an alle Handwerker, sich auf Heizung und Warmwasserversorgung zu konzentrieren - um mögliche Engpässe bei den Handwerkerterminen zu überwinden.
Netzagentur stellt klar: Sprit und Strom "verfügbar"
Müller betonte, die Netzagentur sehe jedoch "kein Szenario, in dem gar kein Gas mehr nach Deutschland kommt". Deutschland könne unter anderem aus Norwegen und aus den Niederlanden versorgt werden. Zugleich warnte er vor falschen Akzenten beim Energiesparen. "Die Krisensituation bezieht sich auf Gas - und nicht auf Strom", sagte er. Deutschland stehe nicht vor einer Stromlücke.
Er appellierte zudem an alle Haus- und Wohnungsbesitzer, ihre Gasbrennwertkessel und Heizkörper rasch zu überprüfen und effizient einstellen zu lassen.
Die ausgerufene Alarmstufe beim Gas-Notfallplan soll verhindern, dass es zu Beginn der Heizperiode zu einer Unterversorgung kommt, so Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur.
Müller: Schwimmbäder und Schokokekse nicht systemrelevant
Müller führte aus, wen mögliche Gas-Rationierungen treffen könnten. In einer Gasnotlage "können wir nicht jeden Betrieb als systemrelevant einstufen", sagte er. "In kritischen Bereichen wie Teilen der Lebensmittel- und Pharmabranche müssen wir sehr vorsichtig sein. Dagegen wären Produkte und Angebote, die in den Freizeit- und Wohlfühlbereich fallen, eher nachrangig. Schwimmbäder gehören wohl nicht zum kritischen Bereich, genauso wie die Produktion von Schokoladenkeksen."
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am 23. Juni die zweite Krisenstufe im Notfallplan Gas, die sogenannte Alarmstufe, ausgerufen. Der staatliche russische Energiekonzern Gazprom drosselte die Gaslieferungen über die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland bereits um 60 Prozent. Ob die Pipeline nach der Wartungspause wieder in Betrieb geht, bleibt fraglich.
- Wie es um unsere Gasversorgung steht
Wie viel Gas verbrauchen Haushalte und Industrie? Wie voll sind die Gasspeicher? Wie viel Gas bekommt Deutschland? Grafiken zur Gasversorgung in Deutschland.