Nach Lkw-Anschlag in Nizza: Alle Angeklagten verurteilt

    Lkw-Anschlag von 2016:Nizza-Attentat: Angeklagte allesamt schuldig

    von Lukas Nickel
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    Alle Beschuldigten im Prozess um das Attentat von Nizza wurden zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Doch für die Opfer bleiben viele Fragen offen.

    Frankreich, Nizza: Polizisten stehen um den beim Anschlag am Nationalfeiertag benutzten Lastwagen. Archivbild
    Frankreich, Nizza: Polizisten stehen um den beim Anschlag am Nationalfeiertag benutzten Lastwagen. Archivbild
    Quelle: picture alliance/Andreas Gebert/dpa

    Applaus im Justizpalast in Paris: Die acht Angeklagten wurden allesamt schuldig gesprochen, zwei von ihnen zu 18 Jahren Gefängnisstrafe. Sie sollen von den Anschlagsplänen des Tunesiers Mohamed Lahouaiej-Bouhlel gewusst haben.

    Horrorfahrt am Nationalfeiertag

    Am 14. Juli 2016 bricht der Attentäter  zu einer vier Minuten und 17 Sekunden langen Horrorfahrt an der Strandpromenade in Nizza auf. Er hatte sich bestens vorbereitet: Tausende Menschen flanieren auf der Strandpromenade, um das Feuerwerk zum französischen Nationalfeiertag zu schauen. Viele Eltern sind mit ihren Kindern vor Ort. Es ist Nationalfeiertag, ein Familienfest. Die Menschen feiern gemeinsam ihr Land.
    An genau diesem Abend steuert Lahouaiej-Bouhlel seinen Lkw in die Menschenmenge. Den Weg auf die Promenade hatte er im Vorfeld ausgekundschaftet, das tonnenschwere Gefährt gemietet und in der Nähe abgestellt. Die tödliche Fahrt endet erst, als Sicherheitskräfte den Fahrer stoppen und erschießen. 450 Menschen werden verletzt, 86 Menschen sterben, darunter 15 Minderjährige. Es ist ein Angriff auf Nizza, aber auch auf Frankreich und das Leben.

    Niemand will etwas gewusst haben

    Seit Anfang September standen acht mutmaßliche Helferinnen und Helfer des Attentäters vor Gericht. Drei von ihnen wurden angeklagt wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung und Mitwissenschaft um die Pläne des Attentäters.

    Ich bin schuldig, eine Waffe ohne nachzudenken verkauft zu haben. Doch jetzt schon seit sechs Jahren höre ich nicht mehr auf, darüber nachzudenken.

    Ramzi Arefa, Angeklagter vor den Geschworenen

    Von einem weiteren Angeklagten Mohamed Ghraieb existiert ein Selfie, das dieser einige Tage zuvor in dem zum Anschlag genutzten Lkw aufgenommen hat. Ghraieb betonte, nichts von dem geplanten Anschlag gewusst zu haben. Der dritte Hauptangeklagte, Chokri Chafroud, äußerte sich nicht.  Dabei schrieb er sich mit dem Attentäter in den Tagen vor dem Anschlag mehrere Textnachrichten.
    In der letzten Nachricht am 14. Juli schrieb Lahouaiej-Bouhlel, dass er jetzt auf der Promenade sei. Die Geschworenen glaubten den Angeklagten nicht: Arefa und Ghraieb wurden zu einer Gefängnisstrafe von 18 Jahren verurteilt, Chafroud zu 12 Jahren.
    Frankreich, Paris: Nadege Renda, eine Frau, die beim Anschlag von Nizza im Juli 2016 verletzt wurde, spricht am Pariser Gerichtsgebäude, nachdem Haftstrafen verhängt wurden.
    Nadege Renda, wurde beim Anschlag von Nizza verletzt.
    Quelle: Geoffroy Van Der Hasselt/AFP/dpa

    Den fünf weiteren Angeklagten wurde vorgeworfen, bei der Beschaffung der Pistole des Attentäters geholfen zu haben. Sie haben zwei bis acht Jahre Gefängnisstrafe bekommen. Auch sie beteuerten beim Prozess, nichts von den terroristischen Absichten Lahouaiej-Bouhlels gewusst zu haben.

    Nebenklage: Viele Fragen offen

    Die gut 2.500 Nebenkläger und Nebenklägerinnen haben bei dem Prozess nicht nur auf eine Strafe der Angeklagten gehofft, sondern auch auf Antworten gehofft. Wie konnte der Attentäter den Anschlag so unbehelligt vorbereiten? Und welche Rolle spielten die Angeklagten genau? Fragen, die unbeantwortet bleiben. "Enttäuschung ist unvermeidbar", gestand auch die Staatsanwaltschaft. Enttäuschung auch, weil der Hauptakteur des Attentats fehlt.

    Wir sind frustriert. Es gibt dunkle Stellen im Prozess, nicht alle Fragen wurden beantwortet.

    Opferanwältin Samia Maktouf

    Trotzdem, die Opfer sind mit dem Ausgang des Prozesses zufrieden, betont Carole Damiani vom Opferhilfeverein Paris Aide aux Victimes. Die Geschädigten hätten außerdem genügen Zeit und Raum bekommen, ihre Zeugenaussage zu tätigen. Doch ein Schritt fehle noch: "Die letzte Etappe ist ein Prozess gegen die Stadt Nizza, der gerade geplant wird. Auch die Stadt muss Verantwortung tragen. Das ist wichtig für die Opfer, denn sie haben den Eindruck, dass sie nicht genug beschützt wurden."

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