Habeck zu Nord Stream 1: Mehr Gas speichern bis November
Energiesparpaket angekündigt:Habeck: Gasspeicher zu 95 Prozent füllen
21.07.2022 | 14:30
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Durch Nord Stream 1 fließt laut Wirtschaftsminister Habeck wieder 40 Prozent des Gases, es könne aber auch weniger werden. Habeck kündigt an, die Gasspeicher bis Herbst zu füllen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat eine Erhöhung der Gasspeichermenge in Deutschland angekündigt. Bis zum 1. September müssten die Gasspeicher zu 75 Prozent gefüllt sein, bis zum 1. November zu 95 Prozent. Bisher war es das Ziel der Bundesregierung, die Gasspeicher bis zum 1. November zu 90 Prozent zu füllen.
Höhere Füllstände der Gasspeicher sind ein Teil eines Energiesparpakets, das Habeck ankündigte. Zusätzlich werde Deutschland zum 1. Oktober seine Braunkohlereserven aktivieren. Außerdem sollten in öffentlichen Gebäuden Flure oder Technikräume nicht mehr geheizt werden müssen.
Habeck begründet das mit einer verringerten Menge an Gas, die derzeit durch die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland fließt, nämlich nur noch 40 Prozent. Es könne bis zum Herbst auch wieder weniger werden, so Habeck. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin warf Habeck Erpressung vor. Russland nutze seine große Macht strategisch gegen Deutschland und Europa.
Durch Nord Stream 1 fließt wieder Gas
Nach der Wartung von Nord Stream 1 war am Donnerstagmorgen die Gaslieferung durch die deutsch-russische Pipeline wieder angelaufen. Netzdaten zufolge hat der Gasfluss durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 am Donnerstagmorgen das angekündigte Niveau erreicht. In der Stunde zwischen 7 und 8 Uhr wurden nach Daten von der Website der Nord Stream AG mehr als 29 Gigawattstunden geliefert und damit in etwa so viel Gas, wie zuvor angekündigt wurde.
In der ersten Stunde des Gastages - also zwischen 6 und 7 Uhr - blieb das Niveau wegen des Hochlaufs unterhalb der angekündigten Menge. Inzwischen geht die Bundesnetzagentur davon aus, dass die Pipeline am Donnerstag wie vor der zehntägigen Wartung zu etwa 40 Prozent ausgelastet wird.
Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, sieht trotz der Wiederaufnahme noch keinen Grund zur Entwarnung. Wenn in den nächsten Wochen etwa 40 Prozent der Kapazitäten der Pipeline ausgelastet würden, wären die schlimmsten Befürchtungen zwar nicht bestätigt. Aber Putin habe unlängst Aussagen getroffen, die auf ein Absinken in Richtung 20 Prozent hindeuten könnten.
Wir sind Russland momentan ausgeliefert, weil sie darüber entscheiden, wie viel Gas Nord Stream 1 an uns weiterleitet.
Klaus Müller, Bundesnetzagentur
Umso wichtiger, so Müller weiter, seien daher Einsparungen und der Bezug aus anderen Quellen.
Auslastung wichtiger Pipelines pro Stunde
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Claudia Kemfert, Energiefachfrau am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, rät dazu, sich vor allem darauf zu konzentrieren, die Folgen der Energiekrise in den Griff zu bekommen. "Wir sind schon in einer ernsten Energiekrise, die Lage ist gravierend", sagte Kemfert gegenüber ZDFheute, und doch:
Wir sollten jetzt aber auch nicht in Angst und Panik und Schrecken verfallen - sondern Wege daraus finden.
Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
Die Liefermenge in den kommenden Monaten dürfte große Auswirkungen etwa auf die deutsche Wirtschaft, aber auch Privatkunden haben, da sie sich wahrscheinlich auf Gaspreise niederschlägt. Sie dürfte auch ausschlaggebend dafür sein, wie weit Deutschland seine Gasspeicher noch vor der kalten Jahreszeit auffüllen kann und ob es zu einer Mangellage kommt.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj machte Europa zuvor im Hinblick auf einen möglichen Gasnotstand Vorwürfe. Der Kontinent hätte seine Abhängigkeit von russischem Erdgas früher mindern sollen, sagte Selenskyj am Mittwochabend in seiner täglichen Videobotschaft.
Wenn man früher auf unsere Position gehört hätte, müssten wir nicht nach Notfallmethoden suchen, um das Defizit zu füllen, das Russland künstlich auf dem europäischen Markt schafft.
Wolodymyr Selenskyj
Putin: Westen selbst schuld
In der Nacht zum Mittwoch hatte Kremlchef Wladimir Putin bei einem Besuch in Teheran mit einer drastischen Reduzierung der russischen Erdgaslieferungen an EU-Länder gedroht. Putin wies eine Verantwortung für die reduzierten Erdgaslieferungen von sich und erklärte mit Blick auf die in Kanada gewartete Turbine, der Westen sei selbst daran schuld. Russlands Energieriese Gazprom habe "alle seine Verpflichtungen erfüllt" und werde sie auch künftig erfüllen.
Unabhängig vom Ausmaß ist so gut wie klar: Eine Drosselung der Gasmenge - oder gar ein Stopp für Nord Stream 1 - dürfte die Preise weiter treiben.
FAQ
Der Staatskonzern hatte allerdings die Erdgaslieferungen nach Deutschland bereits im Juni um 60 Prozent gekürzt. Gazprom verwies dabei auf technische Probleme, nachdem eine von Siemens Energy für Wartungen nach Kanada geschickte Turbine wegen der Sanktionen gegen Russland zurückgehalten worden sei. Kanada und Deutschland haben sich auf die Rückgabe der Turbine geeinigt, die Bundesregierung betrachtet die reduzierten Lieferungen vielmehr als politisch motiviert.
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.