Nord Stream 2 ist nicht nur geopolitisch umstritten. Klimaschützer beklagen, dass der Ausbau von Erdgasinfrastruktur nicht mehr zeitgemäß ist. Schadet die Pipeline dem Klima?
Mit Nord Stream 2 soll fossiles Gas nach Deutschland und Europa gebracht werden. Doch für die ambitionierten Klimaziele müsse man sehr schnell aus allen fossilen Energien aussteigen - auch aus Erdgas, so argumentieren Klimaschützer.
Während also einerseits ein sinkender Erdgasverbrauch angestrebt wird, erhöht Nord Stream 2 andererseits die Kapazitäten für den Erdgasimport nach Deutschland und Europa. Dadurch könnte es sich wirtschaftlich noch lange lohnen, die Pipeline auszulasten, während sich der schnelle Umstieg auf erneuerbare Energien verzögern würde.
Befürworter der Erdgasnutzung argumentieren häufig, dass bei der Gasverbrennung weniger CO2 entsteht als zum Beispiel bei der Kohleverbrennung. Dabei wird jedoch gerne übersehen, dass über Leckagen immer auch unverbranntes Methan in die Atmosphäre gelangt. Wird hier ein bestimmter Schwellenwert überschritten, kippt der erhoffte Klimavorteil schnell ins Gegenteil um.
Bei der Produktion und dem Transport von Erdgas wird Methan ausgestoßen. Methangas wirkt Expert*innen zufolge klimaerwärmender als Kohlendioxid.
Methan - unsichtbar und gefährlich
Methan ist ein farb- und geruchloses Gas, das bei Fäulnisprozessen, aber eben auch bei der Öl- und Gasförderung anfällt. Es tritt durch unentdeckte Leckagen entlang von Gasleitungen aus, oder sogar durch gezieltes Ablassen (Venting). Seit der Industrialisierung steigt die Konzentration von Methan in der Atmosphäre stark an.
Inzwischen weiß man: Methan ist ein extrem klimaschädliches Treibhausgas: bis zu 87 Mal mehr als CO2 trägt Methan in den ersten 20 Jahren zur Klimaerwärmung bei, so stellt es der Weltklimarat fest. Dafür verschwindet es aber auch sehr viel schneller wieder aus der Atmosphäre.
Die Pipeline Nord Stream 2 wird, so der Plan, bald über die Ostsee russisches Gas nach Deutschland und Mitteleuropa bringen. So soll die Energieversorgung sichergestellt werden, heißt es.
Kontrollen finden kaum statt
Manche Klimaforscher schlagen deshalb vor, für die ersten 20 Jahre einen Erderwärmungs-Faktor von 120, von 7,5 in den Folgejahren zu nehmen, um die akute Klimaschädlichkeit richtig zu erfassen. Außerdem wird diskutiert, neben dem CO2-Preis auch Methan mit einer Abgabe zu belegen, was Erdgas zusätzlich verteuern würde.
Es gibt wenig gesicherte Daten darüber, wie groß die Leckagen sind. Bisher beruhen die Angaben der Industrie meist auf Schätzungen, Kontrollen finden kaum statt. Die Europäische Union will das in ihrer Methanstrategie ändern und zusammen mit der UNO ein internationales "Beobachtungszentrum" für Methan einrichten.
Kann Nord Stream 2 für den Transport von Wasserstoff genutzt werden?
Befürworter von Nord Stream 2 argumentieren häufig, man könne die Pipeline auch zukunftsweisend für den Transport von Wasserstoff verwenden. Doch bestehende Erdgas-Pipelines können in der Regel nicht einfach für Wasserstoff genutzt werden, da Erdgas und Wasserstoff eine unterschiedliche chemische Zusammensetzung haben.
Allerdings wären Beimischungen möglich, wenn technische Anpassungen an der Infrastruktur vorgenommen würden. Je höher der Anteil an beigemischtem Wasserstoff, desto aufwändiger und kostspieliger wäre die Umrüstung. Nord Stream 2 könne in etwa zehn Jahren für eine Beimischung von Wasserstoff bereit sein, so hat es die Nord Stream 2 AG als Ziel formuliert.
Methanproblem bei Erdgasförderung bleibt
Doch wie nachhaltig und klimafreundlich würde der Wasserstoff aus Russland sein, welche "Farbe" wird er haben? Wahrscheinlich ist, dass es sich um "grauen" oder "blauen" Wasserstoff handelt: Dabei wird fossiles Erdgas unter Hitze in Wasserstoff und CO2 umgewandelt (Dampfreformierung).
Entweder wird das CO2 anschließend in die Atmosphäre abgegeben und verstärkt so den globalen Treibhauseffekt (grauer Wasserstoff) oder das CO2 wird abgeschieden und (unterirdisch) gespeichert (blauer Wasserstoff). Diese Verfahren sind noch lange nicht ausgereift, ihre Wirtschaftlichkeit und Klimabilanz ist umstritten. Auch das Methanproblem bei der Erdgasförderung bleibt bestehen.
- Wann geht Nord Stream 2 ans Netz?
Endspurt für umstrittene Pipeline: Das letzte Rohr der Nord Stream 2 ist verschweißt, so die Betreiberfirma. Gaslieferungen nach Europa sollen bald starten - doch es gibt Hürden.