Sicherheitsexperte zu Explosionen an Nord Stream 1 und 2

    Militärexperte zu Gaslecks:Mölling: "Wahrscheinlich Russland als Täter"

    von Sebastian Lang
    |

    Militärexperte Christian Mölling gibt seine Einschätzung zu den Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2. Bei der Infrastruktur sei die EU "massiv verletzbar".

    Markus Lanz, Jens Spahn, Carla Reetsma, Jessica Rosenthal, Roman Pletter und Schalte Christian Mölling
    Über die mutmaßliche Attacke auf die Nordstream-Pipelines, die sozialen Folgen der aktuellen Krise, die deutsche Energiepolitik und den weltweiten Klimawandel28.09.2022 | 76:49 min
    Nach gleich drei Lecks in 70 Metern Tiefe an den Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 wird weiter über die Ursachen spekuliert.
    Christian Mölling, Sicherheits- und Militärexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sagte am Mittwochabend bei Markus Lanz, dass man bereits gesichert wisse, dass es zu drei Explosionen an den Pipelines gekommen sei.

    Man darf jetzt davon ausgehen, dass es ein Schaden ist, der von außen herbeigeführt worden ist.

    Christian Mölling, Sicherheits- und Militärexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik

    Die Frage nach dem Täter sei noch offen. Aber: "So wahnsinnig viele Staaten kommen nicht in Betracht", so Mölling. "Sie müssen schon eine gewisse militärische Fähigkeit haben, Unterwasserkräfte haben, um solche Sachen machen zu können."

    Mölling: Noch eine weitere Krise

    Alles wisse man aber noch nicht, da die Geheimdienste derzeit noch Informationen zurückhalten würden. Schließlich passiere das alles mitten in einer Konfliktlage. Darum wolle man zunächst versuchen, das Ganze politisch einzuordnen.
    Auf Lanz' Frage hin, ob es da einen Zusammenhang gebe zwischen den jüngsten Entwicklungen in Russland und der Ukraine und den nun aufgetretenen Explosionen, sagte Mölling: "Man versucht im Grunde genommen, uns hier zu überfordern."
    Zu Teilmobilisierung, der geplanten Annexion besetzter ukrainischer Gebiete und "diffusen nuklearen Drohungen aus Moskau" komme nun noch eine weitere Krise. "Da passt es relativ gut rein, diese Pipelines in die Luft zu sprengen – nicht, weil dadurch jetzt Gas fließen würde, sondern, weil es ein Fingerzeig ist auf die sehr starke Verletzlichkeit Europas im Bereich der Energie", so Mölling.
    Die EU sei sehr stark abhängig von anderen Pipelines, die die Mitgliedsstaaten untereinander versorgen würden. Aber auch von Unterwasserkabeln, über die Telefonie und Daten laufen.

    Mölling: Indizien sprechen für Russland als Täter

    "Das passt alles in einen zeitlichen Zusammenhang. Dazu kommt auch, dass jetzt gerade eine neue Pipeline eingeweiht worden ist. Alles das spricht dafür, dass wir es hier wahrscheinlich mit Russland als Täter zu tun haben." Zum jetzigen Zeitpunkt sei das aber noch Spekulation, fügte Mölling an.

    Explosionen an Pipelines
    :EU-Innenkommissarin: "Haben einen Verdacht"

    In der Europäischen Union ist Ylva Johansson für die innere Sicherheit zuständig. Im ZDF-Interview vermutet sie, dass ein Staat hinter dem Anschlag auf die Ostsee-Pipelines steht.
    Ylva Johansson am 06.09.2022 in Brüssel
    Interview
    Mölling äußerte sich auch zum möglichen Hergang des mutmaßlichen Sabotageakts. Eine Option sei zum Beispiel, dass eine Unterwasserdrohne eingesetzt wurde – ein ferngesteuertes kleines U-Boot, mit dessen Greifarmen man Sprengsätze an den Pipelines deponiert haben könnte, so Mölling.

    Ideen für effektiven Schutz von Pipelines werden gebraucht

    In dem Kontext gibt es ein weiteres Problem, auf das der Sicherheitsexperte zu sprechen kam: Geschützt würden weder die Nord-Stream-Pipelines, noch andere. Unterseekabel und Pipelines gebe es weltweit.

    Wir haben diese Infrastrukturen aufgebaut in einer Zeit, in der wir nicht darüber nachgedacht haben, dass wir irgendwann mal in einen Konflikt hineingeraten könnten, wo diese kritischen Infrastrukturen Ziele sein könnten.

    Christian Mölling, Sicherheitsexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik

    "Hier sind wir massiv verletzbar", warnte der Sicherheitsexperte. Und bislang sei den Regierungen in Europas nichts Gutes eingefallen, wie man diese Kabel schützen könnte. "Gerade, weil sie teilweise mehrere 100 Kilometer lang sind und ihr Verlauf auch offen liegt, ist es nahezu unmöglich, sich einen effektiven Schutz jetzt einfach mal auszudenken."
    Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:

    Russland greift die Ukraine an
    :Aktuelles zum Krieg in der Ukraine

    Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
    Fahnen der Ukraine und der EU
    Liveblog
    Thema

    Aktuelle Nachrichten zur Ukraine