Die Partei Sinn Fein hat die Mehrheit bei der Wahl in Nordirland. Sie strebt die Vereinigung mit Irland an, doch die Regierungsbildung könnte kompliziert werden.
Die Spitzenkandidatin der katholisch-republikanischen Partei Sinn Fein, Michelle O'Neill, hat die Wahl in Nordirland als Beginn einer neuen Ära in der früheren Unruheprovinz bezeichnet. Die katholisch-republikanische Partei ist erstmals als stärkste Kraft bei der Parlamentswahl in Nordirland hervorgegangen. Das stand nach Auszählung der Stimmen in der Nacht zum Sonntag fest.
Demnach errang die einst als politischer Arm der militanten Organisation IRA geltende Partei 27 der 90 Sitze in der Northern Ireland Assembly und verwies damit die protestantische-unionistische DUP auf den zweiten Platz, die 25 Mandate erreichte. O'Neill hat damit Anspruch auf den Posten der Regierungschefin (First Minister).
Es ist das erste Mal, dass der Posten einer Partei zufällt, die sich für die Loslösung des Landesteils von Großbritannien und einer Vereinigung mit der Republik Irland einsetzt. "Heute ist ein sehr bedeutsamer Tag des Wandels", sagte O'Neill nach der Verkündung der Ergebnisse in ihrem Wahlkreis Mid Ulster in dem Ort Magherafelt. Sie fügte hinzu:
Einst Teil der militanten IRA
Sinn Fein galt einst als politischer Arm der militanten Organisation IRA, die mit Waffengewalt für eine Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland kämpfte.
Nun erhält die Partei das Recht, die Regierungschefin in einer künftigen Einheitsregierung zu stellen. Bislang hatten diesen Posten stets Parteien besetzt, die sich für eine Beibehaltung der Union mit Großbritannien aussprechen. Sinn Fein setzt sich weiterhin für ein vereintes Irland ein, hat dies im Wahlkampf jedoch nicht in den Vordergrund gestellt.
Sinn Fein strebt Vereinigung mit Irland an
Sinn-Fein-Chefin Michelle O'Neill rief nach der Wahl zum Regionalparlament zu einer Debatte über eine Vereinigung mit der Republik Irland auf. "Lasst uns alle an einem gemeinsamen Plan arbeiten", sagte O'Neill am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in der nordirischen Stadt Magherafelt. Sie wolle sich als Regierungschefin Themen wie den steigenden Lebenshaltungskosten und Gesundheit widmen.
Schwierige Regierungsbildung
Scheitern könnte eine Regierungsbildung unter ihrer Führung allerdings am Widerstand der DUP (Democratic Unionist Party), die einen gleichberechtigten Stellvertreter stellen müsste. Dem als Karfreitagsabkommen bekannten Friedensschluss aus dem Jahr 1998 zufolge müssen die stärksten Parteien aus beiden konfessionellen Lagern eine Einheitsregierung bilden.
Die US-Regierung hat die Parteien in Nordirland nach der Parlamentswahl in der britischen Provinz zu einer solchen Regierungsbildung aufgerufen. Kritische und unmittelbare Herausforderungen in den Bereichen Wirtschaft, Gesundheit und Bildung ließen sich am besten durch die gemeinsamen Anstrengungen einer Einheitsregierung bewältigen, die von der Bevölkerung gewählt und ihr gegenüber rechenschaftspflichtig sei, erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price.
Der Nordirland-Konflikt (auf Englisch „The Troubles): Durch den Brexit, dem Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union, wird er erneut angeheizt. Der Konflikt an sich ist schon ziemlich alt – sein Ursprung reicht bis ins Mittelalter zurück.
Die DUP erhöht nun den Druck auf den britischen Premierminister Boris Johnson, den Brexit-Vertrag zu brechen. "Boris Johnson hat jetzt die Wahl: entweder das Karfreitagsabkommen oder das Nordirland-Protokoll", sagte der frühere DUP-Fraktionschef im britischen Parlament, Nigel Dodds, der Deutschen Presse-Agentur am Samstag.
Sollte Johnson das Protokoll nicht aufkündigen, werde sich seine Partei nicht an einer Einheitsregierung beteiligen, wie es in dem als Karfreitagsabkommen bekannten Friedensschluss von 1998 vorgesehen ist, so Dodds weiter.
Provoziert Johnson Reaktion aus Brüssel?
Das Nordirland-Protokoll des Brexit-Vertrags sieht einen Sonderstatus für die Provinz vor, um Kontrollen an der Grenze zum EU-Mitglied Republik Irland zu vermeiden. Dafür müssen nun aber Waren kontrolliert werden, wenn sie von England, Schottland oder Wales nach Nordirland gebracht werden. Die DUP befürchtet, das könnte der erste Schritt zu einer Loslösung Nordirlands von Großbritannien sein.
Boris Johnson hatte die Vereinbarung mit Brüssel gegen den Willen der DUP getroffen, inzwischen aber immer wieder damit gedroht, sie platzen zu lassen. Sollte das geschehen, wäre mit einer deutlichen Reaktion aus Brüssel zu rechnen.
- Ein Überlebenskünstler bei der Arbeit
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