Nouripour zu Iran: "Wird dauern, bis Sanktionen greifen"

    Interview

    Grünen-Chef über Gewalt im Iran:"Barbarei" im Iran: Nouripour für mehr Druck

    |

    Trotz der Hinrichtungen werden die Proteste im Iran weitergehen - davon ist Grünen-Chef Omid Nouripour überzeugt. Er forderte im ZDF eine "entschiedene Antwort" auf die Gewalt.

    Trotz Hinrichtungen im Iran gehen die Proteste weiter. International gibt es Kritik an dem strengen Vorgehen des Regimes in Teheran. Der im Iran geborene Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour spricht sich für mehr Druck auf die iranische Regierung aus.
    ZDFheute: Herr Nouripour, was ist Ihre Sichtweise auf das, was gerade im Iran passiert? Schlägt das Regime die Protestbewegungen gerade nieder?  
    Omid Nouripour: Es gibt eine große Reihe an weiteren Protesten, Protestformen. Jeden Abend skandieren die Leute von ihren Balkonen, von den Dächern, Protestrufe raus. Es werden Banner vom Revolutionsführer in die Runde gerissen.

    Es ist überhaupt nicht zu Ende.

    Omid Nouripour, Grünen-Vorsitzender

    Aber die Erfahrung, die die Leute machen, ist: Sie gehen auf die Straße und protestieren wegen Luftverschmutzung, wegen einer furchtbaren wirtschaftlichen Lage und wegen vielem anderem mehr und das Einzige, was der Staat anfordert, ist Gewalt. Und deshalb werden die Proteste auch so schnell nicht abebben.
    ZDFheute: Vier Hinrichtungen sind bereits vollstreckt worden. Weitere Demonstranten stehen auf der Todesliste. Von der Bundesregierung kommt wenig. Warum?  
    Nouripour: Das sehe ich nicht so. Alle Sanktionen, die bisher von der Europäischen Union verhängt worden sind, sind auf Betreiben unserer Außenministerin Annalena Baerbock zu Stande gekommen. Dass es mehr sein muss, hat sie selbst klar und deutlich zum Ausdruck gebracht.
    Dass Sanktionen, und damit Druck, europaweit abgestimmt werden müssen, ist Rechtslage und politisch ratsam. Und deshalb arbeitet sie weiterhin daran, damit es neuen Druck gibt, neue Sanktionen gibt.

    Denn die Barbarei dieses Regimes ist wirklich nicht auszuhalten und braucht eine entschiedene Antwort. Auch der Europäer. 

    Omid Nouripour, Grünen-Vorsitzender

    ZDFheute: Tatsächlich hat die Außenministerin am Samstag eine Erhöhung des Drucks auf Iran gefordert. Welche Sanktionen würden denn den Druck auf das Regime wirklich erhöhen?   
    Nouripour: Ja, sie handelt. Sie trägt zahlreiche Vorschläge im Kreise ihrer Kolleginnen und Kollegen, der Außenminister der Europäischen Union, vor. Die müssen nur alle am Ende zustimmen.
    Das zentrale Instrument, was auch sie nach vorne versucht zu treiben - wo es sehr schwierig ist, weil es nicht alle wollen - ist, dass die Kernsäulen der Repression im Iran, die Organisation, die wirklich am meisten dafür verantwortlich ist, dass die Menschen unterdrückt werden, dass Leute hingerichtet werden, dass Leute gefoltert werden, verschleppt werden, verschwinden, nämlich die Revolutionsgardisten auf die Terrorliste der EU kommen. So kann man auch sehr viel entschiedener etwas gegen die Refinanzierungswege machen.
    Um dahin zu kommen, um das hinzubekommen, braucht es aber die Einstimmigkeit in der EU. Und daran wird gearbeitet und gerade durch die Bundesregierung, allen voran durch die Außenministerin. Und es braucht eine Rechtsgrundlage, die geschaffen werden muss. Auch daran wird gearbeitet.

    Aber man muss auch sehen, dass der Radius der Europäer im Iran nicht endlos ist. Wir müssen Druck machen, aber das wird dauern, bis diese Sanktionen auch greifen.  

    Omid Nouripour, Grünen-Vorsitzender

    Die 22-jährige Mahsa A. (Archivbild)
    Quelle: Imago

    Der Iran wird seit dem Tod der Kurdin Mahsa Amini am 16. September von einer Protestwelle erschüttert. Die 22-Jährige war nach der Festnahme durch die Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen die strikte islamische Kleiderordnung gestorben. Seitdem wurden hunderte Menschen bei den Protesten getötet und tausende weitere festgenommen.

    ZDFheute: Aber tatsächlich ist es so, dass Sie und Annalena Baerbock und die FDP, das alle fordern. Woran hakt es denn auf EU-Ebene?
    Nouripour: Weil es Staaten gibt, die die Revolutionsgardisten nicht auf die Terrorliste setzen wollen. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht, weil sie glauben, dass das beim Atomabkommen und bei den Verhandlungen dort nicht vorankommen würde, wenn man das täte.
    [Mehr dazu im "maybrit illner spezial" (1. Dezember 2022): Heuchler oder Helfer – kuscht der Westen vor dem Iran?]
    Es kommt sowieso nicht voran bei den Atomverhandlungen derzeit und ist auch nicht absehbar, dass sich das ändert. Deshalb wäre es ein richtiger Schritt. Aber dafür müssten andere europäische Staaten sich bewegen.  
    ZDFheute: Das schärfste Sanktionsschwert wäre die Aufkündigung des Atomabkommens mit Iran und dadurch die Wiedereinsetzung von Sanktionen. Warum hält die Bundesregierung trotzdem am Atomabkommen fest?
    Nouripour: Es wird gerade nicht verhandelt. Das ist alles ausgesetzt. Es ist auch überhaupt nicht sinnvoll zurzeit zu verhandeln mit der iranischen Seite. Gleichzeitig sehen wir ja, dass sie die Zentrifugen mit großer Geschwindigkeit laufen lassen, dass sie massiv ihre eigenen Vereinbarungen aus dem Abkommen auch verletzen, sodass es mittlerweile zunehmend in einer Sackgasse gerät.

    Diese Verhandlungen sehen nicht aus, als würden sie zu irgendeinem Erfolg führen können.

    Omid Nouripour, Grünen-Vorsitzender

    Und auch da gilt es dennoch, dass die Staaten, die das Abkommen bisher verhandelt haben - und auf der westlichen Seite sind es nicht nur Deutschland, sondern auch Großbritannien, Frankreich und vor allem die USA - dass sie nicht auseinanderdividiert werden dürfen. Die müssen zusammen aufstehen und den Raum verlassen. Das funktioniert bisher nicht.  
    Das Interview führte Anne Gellinek, Moderatorin der ZDF-Sendung heute journal

    100 Tage danach
    :Wie Mahsa Aminis Tod den Iran verändert

    Vor 100 Tagen starb Jina Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei im Iran. Ihr Tod löste eine massive Protestwelle aus. Was haben die Proteste seitdem erreicht?
    Iranians woman protests a 22-year-old woman Mahsa Amini's death after she was detained by the morality police, in Tehran, Saturday, Oct. 1, 2022.
    Quelle: ZDF

    Mehr zu den Protesten im Iran