Die schwarz-grüne Regierung in NRW kann kommen. Beide Parteitage stimmten dem Koalitionsvertrag zu - doch die Grünen taten sich schwer, denn die Jugend rebellierte.
Knapp zwei Stunden Verspätung nach langer Debatte auf der Landesdelegiertenkonferenz in Bielefeld - dann stimmten die Grünen in NRW mit 85 Prozent für den Koalitionsvertrag mit der CDU. Weil die Union schon am Vormittag in Bonn im Eiltempo zugestimmt hatte, stehen die Zeichen in Düsseldorf nun auf Schwarz-Grün.
Die Landesvorsitzende und wohl künftige stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur sagte mit dem Blick nach vorn: "Lasst uns den Menschen in NRW zeigen, dass wir wirklich bereit sind, den Wandel in Verantwortung anzugehen."
Wandel in Verantwortung, das war das Motto der Konferenz, die künftige Koalition hat ein ehrgeiziges Ziel: NRW soll als erste Region in Europa in einigen Jahren "klimaneutral" sein.
- CDU und Grüne in NRW sagen Ja
Die Parteitage von CDU und Grünen haben mit großer Mehrheit dem Koalitionsvertrag für eine schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen zugestimmt.
Vater-Sohn-Konflikt bei Grünen - und im Hause Krischer
Doch unumstritten ist der Vertrag bei den Grünen nicht, vor allem die Grüne Jugend lehnt ihn ab, stellvertretend dafür vielleicht ein Vater-Sohn-Konflikt auf politischer grüner Ebene: Stefan Krischer von der Grünen Jugend im Kreisverband Aachen stimmte gegen den Koalitionsvertrag, sein Vater Oliver dagegen, designierter Umwelt- und Verkehrsminister im künftigen Landeskabinett, trat vehement für den Vertrag ein.
Es ist ein wenig die alte grüne Geschichte von den Fundis und den Realos: kompromissloses "alles oder nix" oder Abstriche in Kauf nehmen für grüne Politik?
Der Koalitionsvertrag sei "für die Menschen in der Klimabewegung ein Schlag ins Gesicht", sagte Stefan Krischer, er erwähnt das Dorf Lützerath am Niederrhein, das wohl als letztes Dorf im Braunkohlerevier abgebaggert werden wird, um die Kohle darunter zu fördern. Ein Veto der Grünen gibt es jedenfalls nicht.
Abstandsregel bei Windrädern aufgeweicht
Oliver Krischer dagegen, momentan noch Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, sieht im Vertrag eine "gute tragfähige Grundlage" für die kommende Wahlperiode. Es habe zwar viele schwierige Kompromisse gegeben, aber man habe auch viel erreicht.
Die Grünen loben sich etwa bei Windrädern für die Aufweichung der pauschalen Abstandsregeln zu Wohnhäusern, sie loben sich für den Kohleausstieg in NRW schon 2030 oder etwa für die 1.000 Kilometer neuen Radwege, die gebaut werden sollen. Das Wahlalter soll auf 16 Jahre gesenkt werden, ein zweiter NRW-Nationalpark (nach dem existierenden in der Eifel) soll eingerichtet werden.
- Grüne und CDU für Koalitionsverhandlungen
Grüne und CDU haben sich in Nordrhein-Westfalen für Koalitionsverhandlungen ausgesprochen. Am Dienstag soll es losgehen.
Mietpreisbremse und Entlastung für Klinikpersonal fehlen
Den Kritikern dagegen liegt dagegen schwer im Magen, dass das Landwirtschaftsressort inklusive der Wälder an die CDU ging. Und dann das Thema Soziales: Wo ist die allgemeine Mietpreisbremse im Vertrag, fragte eine junge Grüne, wo steht etwas zu der geplanten Tarifvertragsentlastung für das streikende Klinikpersonal? Man verspiele das Vertrauen der unter 30-Jährigen - und die hätten die Grünen gewählt.
Beim hehren Ziel der klimaneutralen Region kritisiert Nicola Dichant, Sprecherin der Grünen Jugend, dass es dafür leider kein konkretes Datum gäbe. Und ihr Sprecherkollege Renas Sahin findet den ganzen Vertrag zu vage, es werde etwa beim Thema günstige ÖPNV-Tickets zu wenig für junge Leute oder Schlechterverdienende getan.
Das alte Dilemma: "Nur Nein zu sagen, reicht nicht"
Die grünen Urgesteine hielten dagegen: Ex-Fraktionschef Rainer Priggen etwa: "Der Vertrag ist wirklich gut, auch in den klimapolitischen Fragen." Er habe vier Verträge mit den Sozialdemokraten verhandelt, dieser mit der CDU sei der Beste.
Oder Sigrid Beer, 17 Jahre im Landtag: "Liebe Grüne Jugend, wo sind eure Antworten? Nur Nein zu sagen, reicht nicht."
Mona Neubaur brachte das ewige grüne Dilemma zwischen Kompromiss und Ablehnung auf den Punkt:
Den größten Beifall erhielt übrigens einer, den niemand vorher auf der Rechnung hatte: Benjamin Limbach, Sohn der früheren Verfassungsrichterin Jutta Limbach, soll neuer Justizminister werden.
Nicht unbedingt ein klassisches Grünen-Ressort, doch Limbach machte klar, warum das nun anders sein könnte: Er will stärker gegen Umweltkriminalität vorgehen und dafür sogar eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft aufbauen.