Die CDU spricht von einer "Späh-Affäre", die SPD von Ablenkung: Der Landtagswahlkampf in NRW ist in vollem Gange. Das zeigte sich auch im U-Ausschuss zur Flutkatastrophe.
Die Flutkatastrophe im Juli 2021 hat Nordrhein-Westfalen schwer getroffen. Die Landesregierung setzt sich heute noch mit den Folgen und der Aufarbeitung auseinander. Ein großes Thema im Wahlkampf.
Es gab diesen einen Moment, da verlor Ursula Heinen-Esser (CDU) die Fassung. Am Freitag saß die zurückgetretene NRW-Umweltministerin in Begleitung ihrer Anwältin vor dem Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Düsseldorfer Landtags.
CDU-Politikerin bricht vor U-Ausschuss in Tränen aus
Erst wenige Stunden zuvor war bekannt geworden, dass ein studentischer Mitarbeiter der SPD-Fraktion versucht hatte, dem Instagram-Account der 16-jährigen Tochter Heinen-Essers zu folgen. Der Account ist privat und daher erst nach Bestätigung der Nutzerin öffentlich einsehbar. Die Tochter lehnte die Anfrage ab.
Ursula Heinen-Esser brach während ihrer Aussage vor dem Ausschuss in Tränen aus, als sie davon berichtete: "Da ist eine Grenze überschritten worden. Das war für mich ein Schritt zu viel".
Und ihr Parteifreund Thomas Schnelle, Obmann der CDU im Untersuchungsausschuss, sprach gegenüber dem ZDF von einem "absoluten Tabubruch":
SPD: Vorwürfe der CDU "reines Ablenkungsmanöver"
Da half es auch nicht viel, dass die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Sarah Philipp, umgehend bei der Ex-Ministerin und deren Tochter um Entschuldigung bat. Sie erklärte:
Die CDU spricht bereits von einer "Späh-Affäre". Die SPD habe über den Social-Media-Account einer Minderjährigen an Informationen der Mutter gelangen wollen, so der Vorwurf. Reines Ablenkungsmanöver, kontern die Sozialdemokraten.
- Wahl-O-Mat für die Landtagswahl in NRW
Wahl-O-Mat für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (NRW).
"Mallorca-Affäre": SPD fordert Aufklärung von NRW-Ministerpräsident Wüst
Sie sprechen lieber von der "Mallorca-Affäre". Die Landesregierung solle endlich erklären, wann Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) von den Reisen einiger Kabinettsmitglieder während der Flutkatastrophe zur Geburtstagsfeier von Heinen-Essers Ehemann nach Mallorca gewusst hat.
Heinen-Esser war deshalb vor zwei Wochen zurückgetreten. "In den letzten Tagen" habe er von den Reisen und der Geburtstagsfeier erfahren, hatte der Regierungschef am 8. April dem WDR gesagt. Sowohl Heinen-Esser als auch der Staatskanzleichef bestätigten das am Freitag im Ausschuss.
Politikwissenschaftler: Wahlausgang in NRW noch völlig offen
Die Vorgänge zeigen, wie nervös die Parteien drei Wochen vor der Landtagswahl sind und mit welchen Bandagen inzwischen gekämpft wird. In den Umfragen liegen CDU und SPD fast gleichauf. Parteienforscher Karl-Rudolf Korte erklärt:
Es wird viel auf die Wahlergebnisse der anderen Parteien ankommen, wer am Ende mit wem eine Regierungskoalition bilden kann. Es ist fraglich, ob es für ein Zweierbündnis reicht. Möglich, dass nach der Wahl dann sowohl SPD und CDU um die Gunst von Grünen und FDP buhlen müssten. Eine Jamaika- oder eine Ampelkoalition sind nicht unwahrscheinlich.
Wichtige Sachthemen rücken in den Hintergrund
Andere drängende Sachthemen wie Schule und Bildung, Energiewende oder Innere Sicherheit treten im bevölkerungsreichsten Bundesland durch die Diskussionen im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe fast schon in den Hintergrund. Und ein Ende der gegenseitigen Anfeindungen ist nicht absehbar.
In den Sozialen Netzwerken wird der Ton inzwischen rauer, von "Stasi-Methoden" ist die Rede und es ist nicht zu erwarten, dass sich die Beteiligten in den nächsten drei Wochen noch einmal die Samthandschuhe anziehen. Acht Tage vor der Landtagswahl am 15. Mai ist die letzte Sitzung des Ausschusses angesetzt.