20 Jahre nach Beginn der Mordserie und zwei Jahre nach dem Urteil im Münchener NSU-Prozess ist das letzte Wort immer noch nicht gesprochen. Warum sich die Justiz so schwer tut.
Kann man eine Frau wegen zehnfachen Mordes verurteilen, ohne dass ihre Anwesenheit an irgendeinem der Tatorte nachgewiesen wurde?
Diese Frage haben die Verteidiger von Beate Zschäpe dem Bundesgerichtshof (BGH) vorgelegt. Die Antwort des Oberlandesgerichts München war eindeutig: Zschäpe habe die Morde ihrer verstorbenen Mittäter Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos überhaupt erst möglich gemacht, indem sie eine legale Fassade vortäuschte und so den den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) sorgfältig tarnte.
Den Nachbarn erzählte sie, es handele sich um ihren Freund und dessen Bruder. Und diese beiden seien deshalb so oft unterwegs, weil sie auf Montage arbeiteten oder Fahrzeuge überführten. Durch solche und andere Aktivitäten habe Zschäpe sich zur Mittäterin gemacht, befand das Münchener Gericht - und verurteilte sie wegen Mordes zu lebenslanger Haft.
Mehrere Revisionen
Sollte der BGH die Revision zurückweisen, so würden tatsächlich im Fall Zschäpe die Aktendeckel zugeklappt. Anderenfalls jedoch könnte es dazu kommen, dass noch einmal ein Gericht über die Terrorserie befinden muss.
Auch andere Verfahrensbeteiligte haben Revision eingelegt: Die Bundesanwaltschaft etwa im Fall des NSU-Kumpanen André E., für den sie zwölf Jahre Haft gefordert hatte, der aber mit zweieinhalb Jahren davon kam. Und Holger G., Freund und Gehilfe des Terror-Trios, will seine drei Jahre Haft nicht akzeptieren.
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Keine neue Beweisaufnahme
Der Bundesgerichtshof befasst sich allerdings nur mit eventuellen Fehlern bei der juristischen Bewertung der Terrorakte. Die Beweisaufnahme darf er nicht neu aufrollen. Was die tatsächlichen Abläufe angeht, so muss er sich an das halten, was das Oberlandesgericht München festgestellt hat.
Und so bleibt es bei dem Bild, dass das Gericht nach fünf Jahren Verhandlung und der Vernehmung von über 500 Zeugen zeichnete: Ein rechtsextremes Terror-Trio mit ein paar Freunden und gelegentlichen Helfern, jedoch ohne ein größeres Netzwerk, das an der Planung und Ausführung aller Taten beteiligt gewesen wäre.
Keine Belege für großes Netzwerk
Einige der 59 Nebenklagevertreter, die als Anwälte der Opfer am Verfahren beteiligt waren, wollten sich damit nicht zufriedengeben. Wieder und wieder versuchten sie, das Bild einer umfassenden Terrorbande zu entwerfen, von der man allein die drei Personen starke Führungsriege und ihre vier ebenfalls vor Gericht stehenden Unterstützer kenne.
Jedoch fanden sich in all den Jahren keine Belege für weitere Gehilfen - ebenso wenig wie bei den Aktivitäten der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, die teilweise bis heute weiterarbeiten, etwa in Mecklenburg-Vorpommern.
Aus Fehlern lernen
Der Staat hat aus dem NSU-Komplex Konsequenzen gezogen: Man traf Vorkehrungen, die verhindern sollen, dass sich die Fehler der polizeilichen Ermittler und der Verfassungsschutzämter wiederholen. Verantwortliche wurden ihrer Ämter enthoben, Strukturen und Arbeitsweisen überdacht. Auch das sehr lange und mehr als 27 Millionen Euro teure Gerichtsverfahren gab Anlass zu kritischer Reflexion.
So wurden etwa die Möglichkeiten von Anwälten, einen Prozess ohne vernünftigen Grund zu verzögern, eingeschränkt. Und ein Anwalt, der sich in München als Nebenklagevertreter ausgab, steht zurzeit in Aachen vor Gericht: Er hatte sich aus der Staatskasse für die Vertretung eines angeblichen NSU-Opfers bezahlen lassen, das gar nicht existierte.
Die Opfer des NSU