Ungarn, Tschechien und die Slowakei übten scharfe Kritik an den vorgesehenen Übergangsfristen im EU-Sanktionspaket. Nun signalisiert Deutschland Entgegenkommen.
Deutschland hat Zustimmung für längere Übergangsfristen einiger EU-Länder beim geplanten Öl-Embargo gegen Russland signalisiert. Die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten berieten am Freitag in Brüssel über einen Kompromissvorschlag der EU-Kommission, der Ungarn, der Slowakei und Tschechien mehr Zeit einräumen würde, um den Lieferstopp vollständig umzusetzen. Gespräche dazu dürften sich nach Angaben von Diplomaten bis ins Wochenende ziehen.
Die Sanktionen sind eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Eine Regierungssprecherin sagte, Kanzler Olaf Scholz habe betont, dass jede Art von Embargo Russland stärker treffen solle als Deutschland oder EU-Partner. In diesem Lichte seien Beratungen über Ausnahmen oder Verlängerungen zu sehen. Es gehe darum, dass diese Länder unterstützt würden, so rasch wie möglich mittelfristig von russischem Öl und Gas unabhängig zu werden.
Sechstes Sanktionspaket sieht Ausnahmen vor
Die Kommission hatte den Mitgliedstaaten in dieser Woche ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland vorgeschlagen. Darin war vorgesehen, dass die Slowakei und Ungarn noch bis Ende 2023 russisches Öl kaufen dürfen, da sie von den Lieferungen besonders abhängig sind. Alle anderen Länder sollten die Öllieferungen in sechs Monaten stoppen und den Bezug von Ölprodukten wie Diesel und Kerosin in acht Monaten. Die geplanten Strafmaßnahmen sollen Russland weiter unter Druck setzen.
Der Kompromissvorschlag vom Freitag sieht vor, Ungarn und der Slowakei bis Ende 2024 Zeit zu geben, ihre Öl-Einkäufe aus Russland einzustellen. Tschechien könnte demnach bis Juni 2024 Zeit bekommen. Für den Fall, dass der Ausbau neuer Lieferwege - etwa eine bessere Anbindung an die Transalpine Ölleitung - früher gelingt, könnte das Embargo für Prag früher gelten. Die Vorschläge können sich im Laufe der Verhandlungen noch ändern.
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Scharfe Kritik aus Ungarn von Viktor Orban
Einer der lautesten Kritiker ist der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán. "Er kommt einer Atombombe gleich, die auf die ungarische Wirtschaft abgeworfen wird", sagte der rechtsnationale Politiker im staatlichen Rundfunk über den Vorschlag. "Für die Umstellung (auf Öl ohne russische Importe) brauchen wir nach unseren eigenen Berechnungen fünf Jahre. Ein Aufschub von einem oder anderthalb Jahren bringt nichts."
Ungarn, Tschechien und die Slowakei sind stark von russischem Öl abhängig, das komplett über die Pipeline "Druschba" (Freundschaft) geliefert wird. Tschechien deckte 2021 nach Angaben der nationalen Statistikbehörde rund die Hälfte seines Ölverbrauchs aus russischen Quellen. In Ungarn kommen der Regierung zufolge 65 Prozent aus Russland. Für die Slowakei ist Russland nach Angaben der nationalen Betreibergesellschaft Transpetrol die einzige Ölquelle.
EU will Sanktionspaket am Wochenende beschließen
Der EU-Kommission zufolge machen die Lieferungen an diese Staaten allerdings nur einen sehr kleinen Anteil der gesamten EU-Importe russischen Öls aus. Damit das Sanktionspaket umgesetzt werden kann, müssen alle Länder zustimmen. Ziel ist es den Diplomaten zufolge, das Sanktionspaket noch am Wochenende zu beschließen.
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