In Österreich wird Sterbehilfe erlaubt. Das Verbot der Hilfeleistung zum Suizid verstoße gegen das Recht auf Selbstbestimmung, urteilte der Verfassungsgerichtshof in Wien.
Der Verfassungsgerichtshof in Wien hat eine Regelung gekippt, wonach Beihilfe zum Suizid strafbar ist. Der Straftatbestand der "Hilfeleistung zum Selbstmord" verstoße gegen das Recht auf Selbstbestimmung, argumentierten die Richter bei der mündlichen Urteilsverkündung.
Tötung auf Verlangen bleibt zwar weiterhin strafbar, es sei jedoch verfassungswidrig, jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten. Das Recht auf freie Selbstbestimmung umfasse "sowohl das Recht auf die Gestaltung des Lebens als auch das Recht auf ein menschenwürdiges Sterben", erklärten die Richter. Die neue Regelung trete zum 1. Januar 2022 in Kraft.
Suizid-Urteil in Österreich: Durchbruch oder Dammbruch?
Die Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende (ÖGHL) sprach von einem historischen Durchbruch. Österreich ziehe damit im internationalen Vergleich nach, wenn auch mit einiger Verspätung. Die katholische Kirche zeigte sich dagegen bestürzt.
Im Februar 2020 hat das Bundesverfassungsgericht ein Anrecht auf selbstbestimmtes Sterben bestätigt. Das Urteil führte zu einer heftigen Debatte im Land.
Das Sterbehilfe-Urteil sei ein Dammbruch und gefährde die Solidarität, kritisierte der Vorsitzender der Bischofskonferenz, der Salzburger Erzbischof Franz Lackner. "Die selbstverständliche Solidarität mit Hilfesuchenden in unserer Gesellschaft wird durch dieses Urteil grundlegend verändert", sagte Lackner weiter.
Verfassungsministerin Karoline Edtstadler von der regierenden ÖVP sagte:
"Daher müssen wir nun prüfen, welche gesetzlichen Schutzmaßnahmen notwendig sind."
Auch in Deutschland Tür für Sterbehilfe-Angebote aufgestoßen
In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht im Februar nach Klagen von Schwerkranken, Sterbehelfern und Ärzten ebenfalls die Tür für Sterbehilfe-Angebote aufgestoßen. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen - das gelte für jeden, nicht nur für unheilbar Kranke.
- Kein Anspruch auf todbringendes Medikament
Schwerkranke Menschen haben keinen Anspruch auf eine tödliche Dosis Natriumpentobarbital. Das entschied das Verwaltungsgericht Köln. Es gebe die Möglichkeit auf andere Medikamente.
In Österreich hatten vier Antragsteller geklagt, darunter ein an Multipler Sklerose erkrankter Mann (56), der ans Bett gefesselt ist und nicht mehr ohne fremde Hilfe aus dem Leben scheiden kann, sowie ein gesunder 75-Jähriger, der im Fall einer unheilbaren Erkrankung Sterbehilfe in Anspruch nehmen will. Zum Kreis der Kläger gehören auch ein 80-Jähriger, der an der Nervenkrankheit Parkinson leidet, und ein Arzt (66). Der Mediziner möchte Sterbehilfe leisten, fürchtet aber straf- und standesrechtliche Konsequenzen.