Führung in Moskau unter Druck:Ukrainische Gegenoffensive: Wie ist die Lage?
11.09.2022 | 17:05
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Die ukrainische Armee verkündet einen Gebietsgewinn nach dem anderen - Russland hingegen einen Rückzug. Wie ist die aktuelle Situation - und wie reagieren die Länder?
Am Ortsausgang von Isjum hängt sie schon, die gelb-blaue ukrainische Flagge, auch im Stadtzentrum von Kupjansk. Die beiden Kleinstädte sind wie das zuvor von ukrainischen Truppen eroberte Balaklija wichtige strategische Orte im Osten der Ukraine. Von hier aus wollte Russland seinen Vormarsch auf den Donbass vorantreiben. Jetzt hat Kremlchef Wladimir Putin andere Sorgen.
Karte: Isjum, Ukraine
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Kupjansk als Eisenbahnknoten mit Anschluss an das russische Bahnnetz diente zur Versorgung der Truppen. Von Isjum und Balaklija aus sollten die Angreifer die ukrainischen Verteidiger im Großraum Slowjansk - Kramatorsk, der letzten von Kiew gehaltenen Festung im Donbass, in die Zange nehmen.
Doch daraus wird nichts. Innerhalb weniger Tage haben Kiewer Truppen riesige Gebietsabschnitte zurückerobert. Der ukrainische Generalstab sprach am Sonntag von mehr als 3.000 Quadratkilometern. Im Gebiet Charkiw kommt die Armee nicht nur in südlicher und östlicher Richtung voran, sondern auch nach Norden in Richtung Staatsgrenze. Im Laufe des Sonntags zogen sich die russischen Truppen aus weiteren Grenzorten zurück.
Charkiw: Kindergarten durch russische Armee beschossen
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Der Einschätzung der US-amerikanischen Militärexperten vom Institute for Study of War nach übersteigen die ukrainischen Geländegewinne binnen weniger als einer Woche diejenigen der Russen seit April.
Die Befreiung von Isjum wäre der bedeutendste militärische Erfolg der Ukraine seit dem Sieg in der Schlacht um Kiew im März.
US-amerikanische Militärexperten
Der schnelle Vorstoß beweglicher ukrainischer Einheiten zwang die russischen Truppen im Gebiet Charkiw zu einem hastigen Rückzug gen Osten. Ein Verband von rund 10.000 russischen Soldaten musste sich hinter den Fluss Oskil zurückziehen.
Der russische Generalstab, der am Samstag erstmals nach Beginn der Gegenoffensive überhaupt Stellung zu den Vorgängen nahm, sprach euphemistisch von einer "Umgruppierung", um die Kräfte für den weiteren Vormarsch auf den Donbass zu bündeln. Doch zurückgelassene Panzer, Ausrüstung, Waffen und Munition sprechen nicht für einen planmäßigen Abzug.
Ukraine-Krieg: Stimmung dreht sich
Noch immer hält Russland gut ein Fünftel des Staatsgebiets besetzt, einschließlich der Halbinsel Krim. Doch zumindest die Stimmung hat sich gedreht. Für die politische Führung ist der Vormarsch auch aus Imagegründen wichtig, um weitere Waffenlieferungen aus dem Westen mit realen Ergebnissen rechtfertigen zu können.
In der Stadt Kiew pendelt die Stimmung zwischen Stolz und Staunen. Das hatten viele Ukrainer ihrer Armee nicht zugetraut. Kaffeeverkäufer Danylo lobt die ukrainischen Soldaten. "Das sind Prachtkerle", sagt er mit einem Lächeln. Die Entwicklungen haben bei ihm Hochstimmung ähnlich wie im Frühjahr nach dem Abzug der Russen bei Kiew ausgelöst. "Bis Ende des Jahres klärt sich die Lage", hofft er und sieht bereits die Krim in greifbarer Nähe.
Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
So blickt Russland auf die Entwicklung
Der Ausgelassenheit in Kiew steht Trübsal, Verunsicherung und Wut in Russland und bei den Separatisten in Donezk gegenüber. Als ein möglicher neuer Angriffspunkt der Ukrainer gilt die Region um Wuhledar an der westlichen Front des Donezker Gebiets. "Es wird bald geschehen, der Feind ist beflügelt", prognostiziert der dortige Separatistenkommandeur Alexander Chodakowski.
Der Krieg ist aber noch lange nicht vorbei, warnen Experten. Das Angriffspotenzial Russlands ist weiterhin groß. Doch die Niederlage habe auch massive taktische Defizite der russischen Militärführung und die mangelnde Moral der russischen Kämpfer aufgezeigt.
Der Ärger über die militärische Führung ist gerade im ultrarechten Lager der Kriegsbefürworter gewaltig. Russische Blogger fordern Konsequenzen und Rücktritte. Immer häufiger fällt dabei der Name von Verteidigungsminister Sergej Schoigu, der für die schlechte Vorbereitung der Armee auf den Krieg verantwortlich gemacht wird.
Und auch die politische Führung in Moskau, die die Niederlage praktisch ignoriert hat, kommt unter Druck. "Gotteslästerlich und wahnsinnig hat heute der Salut in Moskau vor dem Hintergrund der ukrainischen Offensive in Charkiw ausgesehen", kritisierte etwa ein Blog das große Feuerwerk zum Stadtgeburtstag Moskaus am Samstagabend. Das ausgiebige Feiern angesichts der eigenen Niederlage haben viele Russen als unpassend empfunden.
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.
Liveblog
Unbeeindruckt vom Kampfgeschehen wurde Präsident Putin scherzend bei der Einweihung verschiedener Anlagen zu Moskaus Stadtgeburtstag im Staatsfernsehen gezeigt. Unter anderem setzte er selbst ein Riesenrad in Bewegung. Einen Tag später musste die Anlage wegen eines technischen Schadens erst einmal außer Betrieb genommen werden.