Immer mehr Superyachten russischer Milliardäre werden beschlagnahmt. Einige Oligarchen versuchen, Sanktionen auf teils illegalen Wegen zu entkommen. Doch ihre Optionen schwinden.
Italien macht ernst mit Sanktionen gegen russische Oligarchen: Die italienische Finanzpolizei hat Villen und Yachten im Wert von mehreren Hundert Millionen Euro beschlagnahmt.
Die Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Invasion sind massiv. Dutzende russische Politiker, Firmen und Unternehmer stehen auf den Listen, auch ihr Besitz im Ausland ist ein Ziel. Besonders im Fokus sind die zahlreichen Superyachten der Oligarchen. Seit Kriegsbeginn wurden bereits sieben solcher Luxus-Boote von Behörden in Italien, Spanien und Frankreich beschlagnahmt, da ihre mutmaßlichen Eigentümer auf Sanktionslisten stehen. Ihr Wert: jeweils zwischen 7 und 530 Millionen Euro.
Diese Schiffe sind bislang betroffen:
Yachten reicher Russen verlassen reihenweise ihre Häfen
In Zusammenarbeit mit der britischen Wertgutachter-Firma VesselsValue hat die Nachrichtenagentur AP eine Liste von 56 Superyachten zusammengestellt, die sich mutmaßlich im Besitz von Oligarchen mit Verbindungen zum Kreml befinden. Die Boote haben nach Schätzungen zusammen einen Marktwert von 49,3 Milliarden Euro. Weitere Schiffe könnten demnächst hinzukommen. Behörden in Europa und den USA versuchen derzeit mit großem Aufwand die teils komplexen Eigentumsverhältnisse hinter verschiedenen Schiffen zu klären.
Manche Eigentümer nutzen dieses Zeitfenster, um in Richtung sicherer Häfen in See zu stechen: Die Yacht "My Solaris" von Multimilliardär und Chelsea-Noch-Eigentümer Roman Abramowitsch verließ Barcelona am 8. März - aktuelles Ziel unbekannt. Die 104 Meter lange Yacht "Quantum Blue" des Einzelhandel-Giganten Sergei Galizki wurde Anfang März kurzzeitig in Monaco festgehalten. Nach Freigabe - Galizki steht noch auf keiner der aktuellen Sanktionslisten - legte sie sofort ab. Jetzt befindet sie sich vor der ägyptischen Küste im Roten Meer.
Schiffe tauchen unter, riskieren Registrierung zu verlieren
Andere Besitzer gehen noch einen Schritt weiter: Einige Luxus-Schiffe mit Verbindungen nach Russland stechen in See und stellen ihr vorgeschriebenes AIS-Trackingsystem ab. Sie verschwinden damit von der Bildfläche. So etwa die "Galactica Super Nova" von Lukoil-Chef Wagit Alekperow. Laut der Tracking-Plattform marinetraffic.com wurde sie zuletzt am 2. März gesichtet, nachdem sie Tivat in Montenegro verlassen hatte. Die "Madame Gu" des Unternehmers Andrei Skotsch sendete ihr letztes Lebenszeichen am 6. März vor Dubai.
"Wenn Schiffe ihr AIS verbergen, etwa damit sie nicht geortet werden können, dürfen die Flaggenstaaten sie aus dem Register löschen", sagt Rory Jackson, Wirtschaftsredakteur des britischen Fachportals "superyachtnews.com", ZDFheute. Ohne Registrierung in einem Flaggenstaat sei es fast unmöglich Häfen anzulaufen oder eine Versicherung zu erhalten, so Jackson.
Mit Isle of Man entzog am Mittwoch ein erster Flaggenstaat zwei russischen Megayachten die Registrierung. Andere könnten bald folgen.
Russische Yachten müssen mit Sabotage und Boykotten rechnen
"Einige verstecken sich, andere fahren umher, ohne ein erkennbares Ziel. Die Zahl an möglichen Destinationen wird kleiner", sagt Jackson auch mit Blick auf den Reputationsschaden, den Länder und Häfen nehmen könnten, sollten sie potenziell sanktionierten Schiffen einen Rückzugsort bieten.
Ein Expeditionsschiff des Bergbau-Unternehmers Wladimir Strzhalowski ist aktuell in Norwegen gestrandet, da örtliche Unternehmen sich weigern, es zu betanken.
Auf Mallorca wurde am 28. Februar ein ukrainisches Crewmitglied verhaftet, nachdem er die Yacht des russischen Waffenhändlers Alexander Mikheev sabotierte und beinahe versenkte. Das Schiff wurde inzwischen von spanischen Behörden beschlagnahmt.
Unauffällig verkaufen ist kaum möglich
In der aktuellen Situation schnell sein Schiff abzustoßen, sei für die betroffenen Oligarchen kaum praktikabel: "Es gibt sicherlich eine Reihe von potenziellen Käufern, die gerade auf ein günstiges Angebot schielen", sagt Jackson. Aber: "Der Großteil der Yachtverkäufe findet in den USA und Europa statt. Kein Händler der Welt wird aktuell in der Lage sein, Yachten von sanktionierten russischen Eigentümern zu verkaufen."
Drei Superyachten in Hamburg festgehalten
Viele der jetzt beschlagnahmten oder verschwundenen Schiffe wurden in Deutschland gebaut, in Werften wie Lürssen oder Blohm+Voss. Für Wartungsarbeiten sind derzeit drei Oligarchen-Yachten in Hamburg.
Sie werden am Auslaufen gehindert, weil der Zoll keine Ausfuhrgenehmigung erteile, teilt die Hamburger Wirtschaftsbehörde ZDFheute mit. "Sie liegen weiter in Hamburg, an ihnen wird nicht gearbeitet", sagt eine Mitarbeiterin. Daran werde sich vorerst auch nichts ändern. Beschlagnahmt werden könnten sie aber nicht, da nicht geklärt sei, wem genau sie gehörten.
Die meisten Superyachten befänden sich im Besitz von Firmen, sagt der Experte Jackson. "Es gibt viele berechtigte Gründe" - Haftungsfragen für die teils mehr als 50 Personen umfassenden Besatzungen oder Privatsphäre. "Diese Vorkehrungen können aber auch zum Verschleiern genutzt werden." Der Zoll selbst wollte die laufenden Ermittlungen zu den Firmenstrukturen hinter den drei Yachten und ihren Eigentümern nicht kommentieren.
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