Viktor Orban hat es geschafft: Die EU knickt ein und sanktioniert den russischen Patriarchen Kirill nicht. Orban kann sich nun als "Verteidiger" des Christentums darstellen.
Viktor Orban hat sich durchgesetzt und das auch noch mit maximalem Getöse. Besser kann es für den ungarischen Ministerpräsidenten gar nicht laufen, denn bei dem Gepränge und vollem Erfolg können die Ungarn ihre "splendid isolation" in der EU nur genießen.
Und so tritt auch in den Hintergrund, dass ihr Land zur Zeit unter einer überdurchschnittlichen Inflation von rund zehn Prozent ächzt, dass das Staatsdefizit rasant steigt, dass die EU wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit Subventionen verweigert und dass eine Wirtschaftskrise droht.
Auch beim Öl-Embargo gibt Ungarn Ton an
In den Augen vieler waren die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Treffen am Montag eh schon viel zu weit auf Orbans Forderung nach ungebremsten Öl-Lieferungen aus russischen Pipelines zugegangen. Jetzt dieser Nachschlag: Auf Orbans Verlangen hin wurde der russische Patriarch Kirill von der Sanktionsliste gestrichen.
Er tut es, weil die EU ihn lässt. Und er tut es, weil es in das Bild passt, dass er von sich und seinem Land malt: Die Ungarn seien die Verteidiger des christlichen Abendlandes. Orban hat schon 2011 dafür gesorgt, dass das Christentum in der ungarischen Verfassung verankert ist. Kirill zu verteidigen, passt ins Konzept und gab außerdem Gelegenheit, sich für "Religionsfreiheit" einzusetzen. Orban ist so frei.
EU nährt Ungarn-Mythos
Eine Rede im November 2019 zeigt außerdem, dass das Anderssein und das Überwinden von Widerständen zum Mythos gehören: Das ungarische Reitervolk habe vor rund 1.100 Jahren aus dem Osten seine ganz eigene Sprache und Kultur mitgebracht, als es in die pannonische Tiefebene einfiel. "Unsere soldatischen Tugenden und unsere unbestreitbare Lebenskraft hätten zum Überleben nicht gereicht", sagte Orban. "Der Schlüsselmoment unseres Erhaltenbleibens (war) die Aufnahme des christlichen Glaubens."
Ungarntum ist Christentum, so verbreitet es Orban, und zum Kult gehört auch der Sieg für den wahren Glauben. Die EU hat heute dafür gesorgt, dass der Mythos in Ungarn lebt.
Britta Hilpert leitet das ZDF-Studio in Wien und berichtet über Südosteuropa.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.