In ganz Deutschland gehen an Ostern wieder Menschen für den Frieden auf die Straße. 2022 stehen die Ostermärsche mit der Forderung "Frieden schaffen ohne Waffen" im Fokus.
"Frieden schaffen ohne Waffen" fordert die Friedensbewegung seit Jahren. 2022 stehen die Ostermärsche mit diesem Appell vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs besonders im Fokus. Denn eines der zentralen Themen der Ostermärsche ist die Forderung eines sofortigen Waffenstillstands und die Aufnahme von Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. Auch gegen die von der Bundesregierung angekündigte Aufrüstung richtet sich die Kritik der Protestierenden.
Aktivisten: Gewaltfreie Verteidigung ist zeitgemäß
Für Kristian Golla vom Netzwerk Friedenskooperative in Bonn, das die Ostermärsche der Friedensbewegung bundesweit koordiniert, geht die Gleichung "mehr Waffen für mehr Sicherheit" nicht auf.
Für den Aktivisten ist es nach wie vor zeitgemäß, sich für eine gewaltfreie Verteidigung einzusetzen. Jenseits der moralisch-ethischen Dimension beginnt das für Kristian Golla allein bei der Frage, ob die Waffenlieferungen wirklich helfen oder inwiefern sie nur dem eigenen Gefühl der Ohnmacht entgegenwirken.
Konkrete Antworten zur Beendigung von Kriegen finden
Nach Ansicht von Professor Götz Neuneck ist die Friedensbewegung dieses Jahr besonders gefragt, sich zu positionieren.
"Es reicht natürlich nicht, ein Schild hochzuhalten. Die Friedensbewegung muss sich konkret an der Diskussion beteiligen, welche Antworten es geben kann, um Kriege, die uns einholen, beenden zu können", betont der ehemalige stellvertretende wissenschaftliche Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH).
Graf Lambsdorff: Ostermarschierer sind "fünfte Kolonne Putins"
Für den Physiker und Friedensforscher sind die Motive der Ostermärsche sinnvoll und redlich, ihre Forderungen verständlich und wichtig. Gleichzeitig müsse sich die Friedensbewegung aber natürlich auch Fragen gefallen lassen, wie ihre konkreten Antworten angesichts veränderter Rahmenbedingungen aussehen sollen.
- Habeck: "Pazifismus im Moment ferner Traum"
Kriegsverbrechen seien "offenkundig Teil" der russischen Kriegsführung, erklärt Robert Habeck. Ostermärsche sollten eine klare Botschaft gegen Putins Krieg in der Ukraine richten.
Besonders harsche Worte kamen zu Wochenbeginn von Alexander Graf Lambsdorff. In einem Gastbeitrag in der "Zeit" hat der FDP-Politiker die Ostermarschierer als "die fünfte Kolonne Wladimir Putins, politisch und militärisch" bezeichnet. Eine Kritik, die nicht nur Kristian Golla als undifferenziert und polemisch empfindet.
Neuneck: "Auf fachliche Debatte konzentrieren"
Auch Professor Götz Neuneck hält sie nicht für gerechtfertigt. Natürlich sollte man in einer demokratischen Kultur über Positionen streiten, so Neuneck.
Richtig sei, dass man angesichts der völkerrechtswidrigen Aggression in der Ukraine Vorsorge betreiben müsse. "Ein Scheckbuch über 100 Milliarden ist dafür aber keine ausreichende Antwort. Wir sollten uns auf die konkrete fachliche Debatte konzentrieren, wie diese Vorsorge konkret aussehen kann, statt allgemeine Beschimpfungen von gesellschaftlichen Gruppen zu betreiben."
Friedensforscher fordert Debatte über Kriegsverhütung
Denn Professor Götz Neuneck blickt mit Sorge auf die weltpolitische Entwicklung: "Sicherlich sind Aktionsformen wie Ostermärsche heute vielleicht nicht mehr so en vogue, wie in ihren Anfängen. Aber sie sind ein Ruf in die Gesellschaft hinein und wir brauchen dringend wieder eine breite Debatte über Außenpolitik, Kriegsverhütung und die Beendigung von Wettrüsten. Unsere Politikerinnen und Politiker sollten die wichtigsten Lektionen des Kalten Krieges genau studiert haben und alles tun, damit es nicht zu weiteren Eskalationen kommt und dieselben Fehler wiederholt werden."
Im Westen kehren Ukrainer in ihre Städte zurück. Russische Truppen im Land gruppieren sich neu. Im Südosten wird weitergekämpft; die Angst vor der nächsten Großoffensive wächst.
Auch für Kristian Golla haben die diesjährigen Ostermärsche eine besondere Bedeutung: "Natürlich sind die Kundgebungen immer wichtig, weil wir nicht nur in diesem Jahr mit Sorge auf eine Welt blicken, die so unfriedlich ist, wie lange nicht mehr. Aber aktuell müssen wir wahrnehmen, dass Krieg wieder Mittel der Politik geworden ist."