Die russische TV-Journalistin Marina Owsjannikowa über ihren Live-Protest im Staatsfernsehen gegen Russlands Propaganda und ihre Angst, im Gefängnis zu landen.
Es ist der 14. März, als Marina Owsjannikowa in die Abendnachrichten im russischen Staatsfernsehen platzt und ein Protestplakat in die Kamera hält. "Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen", steht da. Die Szene löst weltweit Reaktionen aus.
Am Mittwochabend war Owsjannikowa bei "Markus Lanz" aus ihrem Zuhause in Moskau zugeschaltet. "Natürlich habe ich Angst, dass ich strafrechtlich verfolgt werde", sagte die Journalistin auf die Frage, wie es nun mit ihr weitergehe.
Nach ihrem Protest im russischen Fernsehen wartet die Journalistin Marina Owsjannikowa auf ihre Anschuldigungen. Flucht komme für sie aber nicht in Frage.
Owsjannikowa: "Bin im Epizentrum der Geschehnisse"
Wenn es zum Prozess komme, sei das für sie wohl gleichbedeutend mit Gefängnis:
Owsjannikowa berichtete davon, wie beide Seiten – sowohl die Ukraine als auch Russland – sie nun in deren Informationskrieg einspannen würden. "Ich bin im Epizentrum der Geschehnisse", sagte die Journalistin.
Owsjannikowa: Flucht kommt nicht in Frage
Sie wisse aber nicht, welche Ziele damit genau verfolgt würden. Sie könne sich vorstellen, dass Putin mit ihr das Image des Landes aufbessern wolle – es könne aber auch genauso sein, dass sie morgen schon im Gefängnis sitze.
Flucht komme für sie aber nicht infrage. Denn es gehe ihr darum, weiter aufzurütteln. Sie sagte:
Und weiter: "Dieses Publikum wachzurütteln, das zu Zombies geworden ist von dieser Propaganda. Ich wollte sie zwingen, nachzudenken."
TV-Journalistin: Russland lebt im "Informationsvakuum"
Russland lebe inzwischen in einem "Informationsvakuum", so die Journalistin. Die Menschen bekämen nur noch das zu sehen, was ihnen das Staatsfernsehen zeige. Alternativlos.
Owsjannikowa berichtete aus der eigenen Redaktion: Die Schrecken des Krieges seien dort sehr wohl zu sehen – aber nur auf den Bildschirmen in den Redaktionsräumen, auf denen westliche Nachrichtenagenturen übertragen werden.
Owsjannikowa: "Habe die Realität gesehen"
In den Sendungen für die Öffentlichkeit sei davon dann aber nichts zu sehen:
Aber eben nur sie und ihre Kollegen. "Ich habe die Realität gesehen, die wir nicht gezeigt haben in unseren Nachrichten."
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Eigendorf: Russland betreibt schärfste Zensur
Auf Owsjannikowas Aktion angesprochen, sagte ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf:
Das Regime in Russland betreibe schärfste Zensur, Medien seien inzwischen komplett gleichgeschaltet. "Ich war perplex, dass jemand das wagt", sagte Eigendorf, "dass jemand diesen Mut aufbringt, einen so dermaßen zerstörerischen Akt zu vollziehen, in der Politik Putins, so reinzugrätschen in die Hauptnachrichten."
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Owsjannikowa: Noch keine genauen Anschuldigungen
Bislang wurde Owsjannikowa nur zu einer Geldstrafe verdonnert – für das Posten eines Facebook-Videos, in dem sie Stellung zu ihrer Protestaktion genommen hatte. Für die eigentliche Aktion, den Live-Protest in den Abendnachrichten, gebe es noch keine genauen Anschuldigungen gegen sie, so die Journalistin.
Von Regierungsmitgliedern vernehme sie aber "sehr aggressive Rhetorik", so Owsjannikowa. "Meine Anwälte und ich warten darauf, welche Anschuldigungen noch vorgebracht werden."
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