Russland-Expertin Sarah Pagung sieht den russischen Truppenaufmarsch an der Ukraine-Grenze mit Sorge. Das Risiko eines Krieges hält sie für eine "realistische und große Gefahr".
Trotz erheblicher Differenzen etwa wegen des Ukraine-Konflikts strebt die neue Bundesregierung gute Beziehungen zu Russland an. Das hat Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Antrittsbesuch in Moskau gegenüber ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow betont. Dennoch mahnte sie Russland auch, auf Drohungen gegen das Nachbarland Ukraine zu verzichten und grundlegende Werte in Europa einzuhalten.
Russland-Expertin Sarah Pagung von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik erklärte zu den Bemühungen Baerbocks in Russland bei ZDFheute auf die Frage ...
...ob ein Krieg droht:
"Das muss man in zwei Teilen beantworten: Zum einen haben wir die Gefahr eines Krieges zwischen der Ukraine und Russland, die würde ich aktuell als hoch einstufen. Was nicht heißt, dass es zwingend passieren wird, aber es ist eine realistische und große Gefahr.
Zum anderen, einen gesamteuropäischen Krieg - das sehe ich nicht kommen, weil die Schutzfunktion der Nato auch mit Artikel 5, der Bündnispflicht, nach wie vor stark ist. Einen Krieg zwischen Russland und der Nato sehe ich nicht, auch weil ja die Nato schon deutlich gemacht hat, dass sie selbst im Fall einer russischen Invasion in der Ukraine militärisch nicht selbst eingreift."
...was Russland will:
"Grundsätzlich geht es darum, eine Westintegration der Ukraine zu verhindern, nicht nur politisch oder wirtschaftlich, sondern auch militärisch. Was wir seit 2013/2014 sehen ist, dass die Ukraine sehr stark diese Westintegration in die EU aber auch in die Nato verfolgt und das ist aus russischer Sicht ein Sicherheits- oder Militärrisiko, weil man eigentlich die Nato möglichst weit weg von der eigenen Grenze halten möchte.
Möglichst weit die eigene Verteidigungslinie wegschieben möchte. Und da ist natürlich eine militärische Kooperation zwischen Nato und Ukraine ein potenzielles Risiko, und das möchte man verhindern."
...welche Signale das Treffen von Lawrow und Baerbock sendet:
"Um da wirklich eine Bilanz zu ziehen, ist es noch zu früh. Ich würde es zum jetzigen Zeitpunkt allerdings so bewerten, dass die Tatsache, dass Baerbock bei ihrem Antrittsbesuch in der Lage war, Vorgespräche für Verhandlungen in Form des Normandie-Formats zu erreichen, ein gutes Zeichen ist.
Wir haben es in den letzten Jahren häufiger gesehen, dass Diplomaten und Diplomatinnen nach Moskau gereist sind und relativ aufgelaufen sind; erst letztes Jahr der EU-Außenbeauftragte Borrell, der sich da wirklich erheblich hat vorführen lassen. Und von da aus wäre ich da erstmal vorsichtig optimistisch. Ob das dann am Ende reicht, weil Russland ja diese umfassenden Garantien fordert, die der Westen letztlich nicht bereit ist zu geben, das ist noch mal eine ganz andere Frage."
- Baerbock und Lawrow wollen weitere Gespräche
Außenminsterin Baerbock und ihr russischer Amtskollege Lawrow haben in Moskau betont, die diplomatischen Bemühungen um eine Lösung des Ukraine-Konfliktes fortführen zu wollen.