Bündnis Deutschland: Déjà-vu mit Früh-AfD

    Neue Partei:Bündnis Deutschland: Déjà-vu mit Früh-AfD

    David Gebhard im Inside-PolitiX-Studio
    von David Gebhard
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    In Berlin stellt sich eine neue Partei vor, die sich zwischen Union und AfD verortet. Manches erinnert an die Frühphase einer anderen selbsternannten Alternative.

    Berlin: Der Parteivorsitzende Steffen Große (M) stellt zusammen mit Walter Münnich (l-r), Ellen Walther-Klaus, Niklas Stadelmann und Jonathan Sieber in einem Berliner Hotel die neue Partei ·Bündnis Deutschland· vor.
    Berlin: Der Parteivorsitzende Steffen Große (M) stellt zusammen mit Walter Münnich (l-r), Ellen Walther-Klaus, Niklas Stadelmann und Jonathan Sieber in einem Berliner Hotel die neue Partei ·Bündnis Deutschland· vor.
    Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa

    Dass das Hochglanzschild "Bündnis Deutschland - Freiheit. Wohlstand. Sicherheit" auf zwei umgedrehten Sprudelkisten hinter dem Podium drapiert ist, fällt erst auf den zweiten Blick auf. Ansonsten ist der Aufritt äußert professionell vorbereitet. Auf den Pressetischen liegen imposante, in Stoff eingebundene Mappen - gespickt mit Broschüren, Infomaterial und einem USB-Stick im Checkkartenformat.

    Bündnis ohne prominente Gesichter

    Die neue Partei will zeigen: Wir haben uns vorbereitet (über zehn Monate), wir sind ernstzunehmen und wir haben Geld. 

    Wir haben schon die Bundesgeschäftsstelle stehen. Wir sind für die nächsten zwei Jahre durchfinanziert. Wir haben die Finanzzusagen ausschließlich von Mittelständlern.

    Vorstandsmitglied Jonathan Siebert (bis vor kurzem CDU-Mitglied)

    Was die neue Partei an diesem Morgen allerdings nicht präsentieren kann: ein prominentes Gesicht – kein politisches Schwergewicht, keinen Promi, nicht mal ein Hans-Georg Maaßen ist dabei. Es ist eine No-Name-Gründung, was die neue Partei "Bündnis Deutschland" selbst als Stärke verstanden wissen möchte: "Das ist ein Teamworkprojekt! Wir haben das ganz gezielt als Teamprojekt aufgesetzt", sagt Generalsekretär Niklas Stadelmann (ex-CSU-Mitglied).

    50 Mitglieder bei Gründung in Fulda

    Und Parteichef Steffen Große (Ex-Landesvorsitzender der Freien Wähler in Sachsen) ergänzt: "Ich gehe davon aus, dass wir da noch prominentere Namen dazubekommen." Ein prominenter "Leuchtturm" an der Spitze könne sich als Scheinriese entpuppen, glaubt dessen Stellvertreterin Ellen Walther-Klaus, wie Herr Tur-Tur aus Jim Knopf von Michael Ende.
    Der Anfang der Partei liegt erst wenige Tage zurück: Gegründet am vergangenen Wochenende in Fulda auf einem Parteitag mit rund 50 Mitgliedern. Zu denen zählten ehemalige Mitglieder von CDU, CSU, SPD, FDP sowie AfD und der AfD-Abspaltung LKR, sagt Generalsekretär Stadelmann. Es gebe eine vierstellige Zahl von Interessenten, die sich online schon gemeldet hätten - alles potenzielle neue Mitglieder, glaubt er.

    Partei will "neues Wohlstandsversprechen"

    Man hat eine "Repräsentationslücke" ausgemacht zwischen Union und AfD, in die das "Bündnis Deutschland" nun stoßen möchte. Zu den Zielen gehöre eine Senkung der Abgabenlast für Arbeitnehmer, also "mehr Netto vom Brutto", sagt Große. Freiheit, Wohlstand, Sicherheit - mit diesen Schlagworten will man um Wähler werben. Es gehe um ein "neues Wohlstandsversprechen". 
    Der kürzlich aus der CDU ausgetretene Jonathan Sieber spricht davon, dass die CDU auf ihrem letzten Parteitag mit der Einführung einer Frauenquote den "Einstieg in die Identitätspolitik" vollzogen habe. Das sei eine "Kriegserklärung an die Grundwerte der Partei" und für ihn Grund zum Austritt gewesen.

    Adenauer hätte sich im Grabe umgedreht.

    Jonathan Sieber

    Vieles erinnert an diesem Morgen im Hotel Maritim in Berlin-Mitte an die Frühphase der AfD, die hier ebenfalls zu Beginn ihres Bestehens Parteiversammlungen abgehalten hatte. Enttäuschte (meist) Herren vor Bannern in kleinen stickigen Tagungsräumen, druckfrische Flyer, ein naiv-angehauchter Aufbruchsgeist eines Polit-Start-ups konservativer Heimat-Vertriebener mit Partei-Brosche am Sakko.

    "Vernunft statt Ideologie"

    Immer wieder kommt der Früh-AfD-Sound durch: Man vertrete Bürger aus der "Mitte der Gesellschaft", das alte Links-Rechts-Schema sei überholt, man brauche endlich "Vernunft statt Ideologie" in Deutschland. Viele Bürger fürchteten den "Kontrollverlust". Dazu die Klage, dass die Union ihr konservatives Profil verloren habe, beliebig geworden sei, im rot-grünen Mainstream aufgegangen.
    Oder wenn betont wird, dass alle in der neuen Partei etwas Anständiges gelernt hätten und Berufserfahrung auch in Wirtschaft mitbrächten. All das klang einst ähnlich, als die AfD noch von einem Bernd gelenkt wurde, der mit Nachnamen Lucke hieß.

    Für Ukraine-Waffen und gegen "Dexit"

    Programmatische Überschneidungen gibt es durchaus: Kampf gegen das Gendern oder die Frauenquote sowie eine striktere Flüchtlingspolitik etwa. Doch anders als die AfD wird der menschengemachte Klimawandel vom "Bündnis Deutschland" nicht in Frage gestellt, Waffenlieferungen an die Ukraine zu Selbstverteidigungszwecken befürwortet und ein "Dexit" für einen schweren Fehler gehalten.
    Zudem soll ein gänzlich anderer Ton gepflegt werden: "Wir werden garantiert niemanden beschimpfen, verunglimpfen oder verächtlich machen“, so das Versprechen von Vorstandsmitglied Sieber. Weidel, "Pinsel Chrupalla" (der AfD-Vorsitzende ist gelernter Malermeister) und Gauland seien keine Leute für eine bürgerliche Koalition in Deutschland. In großen Teilen sei die AfD momentan extremistisch. Sein Chef Große hatte zuvor schmallippig geantwortet, man wolle sich eigentlich gar nicht über den politischen Mitbewerber äußern.

    AfD reagiert mit Häme

    Während auf dem Podium vor allem Ex-Unions-Mitglieder sitzen, wirkt im Hintergrund auch ein ehemaliger AfD-Strippenzieher mit. Markus Scheer galt jahrelang als wichtiger Netzwerker in der nordrhein-westfälischen AfD und hatte auch für das Lager um Ex-Parteichef Meuthen Mehrheiten mitgestrickt. Im Frühjahr war er ausgetreten, Grund: die Radikalisierung der AfD. Scheer sei ein "toller Strippenzieher", schwärmt nun Große. Jede Partei könne sich glücklich schätzen, so jemanden an Bord zu haben.
    Die AfD wiederum reagiert hämisch auf die neue Konkurrenz. Die Gründung einer Partei sei ein grundsätzlich verbrieftes Recht und sie wünsche den Initiatoren viel Erfolg, sagt Parteichefin Alice Weidel ZDFheute:

    Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Dennoch befürchte ich, dass der Schrottplatz der konservativen Kleinstparteien sehr bald Zulauf erhalten wird, denn das Personal scheint hauptsächlich von der Resterampe des politischen Sektierertums zu stammen.

    Alice Weidel, AfD-Chefin

    Ein Sprecherin der CDU-Bundespartei sagte ZDFheute dagegen lediglich: "Wir haben die Gründung der Partei zur Kenntnis genommen". Die Einbindung enttäuschter AfDler soll beim "Bündnis Deutschland" selektiv entschieden werden. Um zu verhindern, dass Spinner oder Extremisten in die Partei strömen, sollen Einzelgespräche mit jedem potenziellen Mitglied geführt werden und eine Mitgliedschaft zunächst nur auf zwei Jahre zur Probe vergeben werden.

    Ein Baum für jedes Parteimitglied

    Für Personen, die dem formal aufgelösten rechtsextremen Höcke-Flügel der AfD nahestanden, soll eine Mitgliedschaft prinzipiell ausgeschlossen sein. Eine Überprüfung dürfte allerdings schwierig werden, wie auch das Bestreben, zwischen der Vielzahl von konkurrierenden Kleinparteien - Zentrum, LKR, Freie Wähler - zwischen Union und AfD herauszuwachsen. Allesamt werben sie um den politikverdrossenen, konservativ-liberalen Wähler.
    Das "Bündnis Deutschland" hat sich noch einen Marketing-Gag ausgedacht: Man will für jedes neue Mitglied einen Baum pflanzen. Ob es am Ende wirklich ein Wald wird oder doch eher ein Hain muss sich zeigen. Für einen politischen Herr Tur-Tur ist sicher noch Platz.

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