Es ist eine Simulation von Geschlossenheit, die die CSU auf ihrem Parteitag in Nürnberg abliefert. Der Schock des Umfragetiefs hat aber nun auch Parteichef Söder voll erfasst.
"Und hier ist er: Markus Söder!" Die Backgroundstimme kündigt den Parteivorsitzenden der CSU wie einen Boxer an, der jetzt den Ring besteigt. Und Markus Söder legt die Latte hoch in seiner Rede auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg:
prophezeit er seinen Delegierten von der Bühne.
Söders Kampf gegen den Trend
Söder will den Negativ-Trend brechen. 29 Prozent in einer Umfrage ist für die erfolgsverwöhnte CSU ein Schlag ins Kontor. Noch 16 Tage sind es auch in Bayern bis zur Bundestagswahl. Doch die ständigen Sticheleien Söders gegenüber Armin Laschet in den letzten Wochen und Monaten haben auch ihre Spuren hinterlassen.
Nach einer kämpferischen 70-Minuten-Rede bekommt er wohl auch dafür einen kleinen Dämpfer. Bei seiner zweiten Wahl als CSU-Vorsitzender verfehlt er die psychologisch so wichtige 90 Prozent Hürde. 87,6 Prozent votieren für Söder - ein kleines Zeichen dafür, dass auch für ihn nicht alles rund läuft.
Attacken auf Laschet als Programm
Längst versucht die CSU die Erzählung für den Tag nach der Wahl in den Köpfen zu verankern. Einen Tag vor dem Parteitag hatte Söders Generalsekretär Markus Blume noch mal richtig hingelangt: "Natürlich stünden wir mit Markus Söder besser da", hat er dem "Spiegel" in den Block diktiert. Und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte hinzu gesetzt: "Armin Laschet muss die Möglichkeit nutzen, seine Persönlichkeitswerte deutlich zu verbessern."
Nicht nur von der CDU war das als neue Attacke auf den gemeinsamen Kandidaten verstanden worden, ja, als Versuch, den Sündenbock schon zwei Wochen vor der Wahl zu benennen. Und der Versuch von Blume, seinen Fauxpas zu relativieren, wirkte dann schon fast zynisch, als er vor dem Parteitag sagt, dass man manchmal "vielleicht zu deutlich" sei, "aber es ist wichtig, dass wir uns dann wieder zusammenraufen."
Untersuchungsausschuss gegen Scholz
Söder versucht es mit Ignoranz seiner Adjutanten. Als hätte er nicht selber vor ein paar Wochen den Begriff vom Schlafwagen geprägt, mit dem Laschet ins Kanzleramt wolle. "Zum Mitschreiben für alle Journalisten", ruft er: "Wir wollen Armin Laschet als Kanzler haben, statt Olaf Scholz oder Annalena Baerbock." Söder bläst zur Attacke auf die guten Werte des SPD-Kandidaten.
Die Durchsuchung im Finanzministerium diese Woche - wegen vermuteter Ungereimtheiten bei der Meldung von Steuerstraftaten an die Polizei - nutzt Söder, um einen Untersuchungsausschuss zu fordern. Diese Vorgänge hätten "es verdient, parlamentarisch untersucht zu werden, wie Maut und Wirecard". Und er zählt die Mitglieder einen imaginären Scholz-Teams auf. Saskia Esken, Kevin Kühnert, Norbert Walter-Borjans, Anton Hofreiter:
Alle bekommen ihr Fett weg
Es ist eine Rede der Abgrenzung, die Söder abliefert. Freie Wähler, FDP, AfD - alle bekommen ihr Fett weg. Den eigenen Koalitionspartner in München bezeichnet er als Erbschleicher, wenn sie sich als Retter der Bayrischen Gastwirtschaft bezeichnen. Die Absenkung der Mehrwertsteuer sei allein auf Initiative der CSU erfolgt.
Die FDP fordert Söder auf sich endlich zu bekennen. Er träume schon von einer Koalition mit der FDP: "Aber träumt die FDP auch von uns?" Christian Lindner werde doch immer stiller, aus der Forderung nach Steuersenkungen sei längst die abgestufte Forderung "keine Steuererhöhungen" geworden. "Die Ampel ist immer noch links", schreibt er der FDP ins Stammbuch.
Und der AfD wirft Söder ihre unbestimmtes Verhältnis zu den sogenannten Querdenkern vor. Er wolle jetzt wissen: "Sind sie Marionette der Querdenker oder sind sie deren Puppenspieler?" Wenn sie sich nicht glaubwürdig distanzieren würden, "haben sie den Anspruch verloren, ein Parlament zu betreten."
Laschets Schicksal ist auch Söders Schicksal
Söder weiß, dass diese Wahl nicht nur über das Schicksal von Armin Laschet entscheiden wird, sondern auch über das eigene. Und wohl auch deshalb beendet er seine Rede mit einer sehr persönliche Note - die irgendwie wie eine Entschuldigung seiner selbst daher kommt.
"Ich mache es nicht allen leicht. Ich gehe manchmal mutig voran", umschreibt er seinen eigenen Charakter. "Es ist keine One-Man-Show - auch wenn es manchmal so wirkt" - ein Satz der vielleicht mehr Wahrheit erzählt, als Söder ihn eigentlich gemeint hat.
Denn längst haben auch Teile der CSU erkannt, dass die ständigen Attacken auf Laschet, die Sticheleien und das Infragestellen, einen Anteil an den miesen Umfragen haben. Und dass dann nach dem 26. September nicht nur über Laschets Anteil gesprochen wird, sondern auch über den von Söder.
Mathis Feldhoff ist Korrespondent im Hauptstadtstudio des ZDF in Berlin.
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