Rückenwind für die Spitzenkandidaten: 87 Prozent der Delegierten haben für das Wahlprogramm der Linken gestimmt. Mit dem Slogan "Sozial und klimagerecht" geht es in den Wahlkampf.
Wieder ein digitaler Parteitag. Wieder werden die Delegierten online zugeschaltet. Die Parteispitze der Linken dagegen hat sich in einer ehemaligen Fabrik, den Reinbeckhallen in Berlin, versammelt.
Dort herrschen fast unerträglich hohe sommerliche Temperaturen. Der Saal kocht. Und das nicht nur, weil im Vorfeld mehr als 1.000 Änderungsanträge gestellt worden sind. Als Susanne Hennig-Wellsow die Bühne betritt, hatte sie schon die Hauptarbeit hinter sich.
Der Parteiführung ist es gelungen, in zahlreichen Gesprächen und Kompromissen die Änderungsanträge auf knapp über 100 zu drücken, um den Zeitplan von zwei Tagen einzuhalten. Vor allem aber: Am Vorabend des Parteitages war sie noch schnell ins Saarland gereist.
Parteichefin trifft Lafontaine
Blitzbesuch bei Oskar Lafontaine, einem der Gründungsväter der Linken vor gut 14 Jahren. Er hatte kürzlich erst zur Nicht-Wahl der Linken im Saarland aufgerufen. Hintergrund sind eine persönliche Fehde und Ermittlungen wegen Betrugsverdachts gegen den dortigen Spitzenkandidaten Thomas Lutze.
Das Störfeuer wenige Monate vor der Bundestagswahl, auch noch von prominenter Stelle, dazu die schlechten Umfragewerte und die Wahlschlappe in Sachsen-Anhalt - keine guten Vorzeichen für die Linke. Doch die Charmeoffensive war wohl erfolgreich, berichtet Hennig-Wellsow auf dem Parteitag. "Wir sind im Gespräch und haben festgestellt, dass wir inhaltlich gar nicht so weit auseinander liegen", schildert sie sichtlich erleichtert.
Hennig-Wellsow fiel bisher eher mit negativen Schlagzeilen auf
Das war ein kleiner Coup für die neue Vorsitzende, die seit vier Monaten das Amt bekleidet und bis dato eher mit negativen Schlagzeilen auffiel. Kämpferisch trat sie auf, beschwor die Geschlossenheit der Partei, appellierte an alle, den innerparteilichen Streit beizulegen.
Gemeint war natürlich auch die Ehefrau von Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht, eine der prominentesten Linken im Land, die nicht müde wird, ihre Partei zu kritisieren. Die Linke hätte sich vom eigentlichen Markenkern entfernt als Kümmerer-Partei für Arbeiter und sozial Schwache.
Das sieht wohl auch der Delegierte Simon Aulepp aus Hessen so. Die Partei befände sich an einem Wendepunkt, meint er. Er widerspricht der Vorsitzenden Hennig-Wellsow, eine Politik mit Herz machen zu wollen. Nein, es ginge um eine Politik der geballten Faust. Man müsse das kapitalistische System überwinden, und das ginge nur im Kampf, sagt Aulepp.
Linke strebt in ein Regierungsbündnis
Äußerungen, die der Parteiregie bestimmt missfallen haben, denn die Linke will raus aus der Opposition, strebt bei dieser Bundestagswahl ein Grün-Rot-Rotes Regierungsbündnis an. Wenn da nicht die Position zur Außenpolitik wäre. Der Hauptknackpunkt, der auf der Bundesbühne einer Regierungsverantwortung im Wege steht.
Am Ende stimmte eine deutliche Mehrheit ganz im Sinne des Parteivorstands für das nicht ganz so scharf formulierte Wahlprogramm. Die diskussionsfreudige Linke lieferte sich keine verbalen Schlachten auf offener Bühne. Das Erfolgsrezept für alle Parteien - Streit zu vermeiden und Geschlossenheit zu demonstrieren - ist weitgehend gelungen. Das Signal: Die Linke steht bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Angriffslustige Reden von Bartsch und Wissler
Das strahlten dann auch die beiden Spitzenkandidaten, Janine Wissler und Dietmar Bartsch, bei ihren selbstbewussten und angriffslustigen Reden aus. Die Linke nimmt den Kampf für einen politischen Richtungswechsel auf.
Ihr Rezept: Umverteilung von oben nach unten für mehr soziale Gerechtigkeit. Das bedeutet für die Linke unter anderem: Höhere Mindestlöhne und Mindestrenten, einen bundesweiten Mietendeckel, eine Vermögensabgabe für höhere Einkommen.