Die Linke beschließt an diesem Wochenende ihr Wahlprogramm. Stoff für Streit gibt es genug. Und dann sind da noch zwei Elefanten im Raum, die es der Parteispitze schwer machen.
Wenn morgen der digitale Programmparteitag der Partei die Linke in Berlin beginnt, werden zwei nicht anwesend sein - aber präsent: Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine. Seit Wochen machen es die beiden ihrer Partei schwer.
Wagenknecht mit ihren Attacken gegen eine "selbstgerechte Lifestyle-Linke", die vermeintlich die soziale Frage vergisst. Lafontaine, der sich derart überworfen hat mit dem saarländischen Linken-Landesschef, dass er dazu aufrief, im Saarland nicht die Linke zu wählen.
Die Zerrüttung, die sich hier zeigt, ist auch Ausdruck der unguten Verfasstheit der Partei insgesamt. Umfragen: schlecht. Inhaltliche Ausrichtung: umstritten. Streit: fast überall.
Für wen will die Linke wählbar sein?
Der Streit in der Linken ist sowohl Generationenkonflikt als auch programmatischer Streit. Für wen will die Linke wählbar sein? Klaus Ernst, ehemaliger Parteivorsitzender, spricht dabei für eine "alte" Linke.
Gegenüber ZDFheute sagt er, er mache sich Sorgen um den Markenkern seiner Partei, der zu oft von identitätspolitischen Fragen überdeckt werde: "Wir haben sehr viele junge Mitglieder. Aber sie haben noch nicht alle den Kern der Linken auf dem Schirm.
Es sind offen ausgetragene Konflikte in einer Zeit, in der es für die Partei auch keinen Erfolg gibt, der disziplinieren könnte. Im Gegenteil: Das schlechte Ergebnis der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt steckt der Linken noch in den Knochen. Nur noch 11 Prozent für eine Partei, die lange "als Anwältin des Ostens" galt. Aktuelle Umfragen sehen die Linke im Bund bei 6 bis 7 Prozent.
Keine Grundsatzaussprache zu Wagenknecht und Lafontaine
Klar ist: Die beiden neuen Parteichefinnen Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler, die erst im Februar 2021 ihr Amt angetreten haben, haben Mühe, die Konflikte zu befrieden. In NRW haben Mitglieder den Parteiausschluss von Wagenknecht beantragt. Im Saarland hat der Landesvorstand Lafontaine dazu aufgefordert, die Partei zu verlassen.
Klaus Ernst, der ein enger Weggefährte von Lafontaine und Wagenknecht ist und beim Parteitag als "beratende Stimme" vor Ort sein wird, hält die Fronten für verfestigt:
"Das wird uns sicher nicht mehr Stimmen bringen. Aber mit Sicherheit wäre es die größere Katastrophe, so verdiente Leute wie Sahra oder Oskar auszuschließen." Auch die beiden Parteichefinnen haben sich gegen Ausschlussverfahren ausgesprochen.
Auf die Frage, ob und wie Wagenknecht und Lafontaine Thema beim Parteitag seien, sagt Parteichefin Hennig-Wellsow: "Es wird keine Grundsatzaussprache zu Oskar Lafontaine und Sarah Wagenknecht, oder zu anderen Mitglieder unserer Partei erfolgen. Was nicht bedeutet, dass wir nicht möglicherweise auch über inhaltliche Konflikte miteinander sprechen. Dafür sind Diskussionen zum Wahlprogramm da."
Wie sieht die Wahlkampfstrategie der Linken aus?
Bei den Diskussionen zum Wahlprogramm wird es auch um zwei richtungsweisende Fragen gehen: Wie koalitionsfähig will die Linke sein? Und wie viel innerparteilichen Rückhalt bekommen die beiden Parteichefinnen - und das Spitzenduo Janine Wissler und Dietmar Bartsch - für den Wahlkampf?
Über 1.000 Änderungsanträge hat es gegeben. Bis zum zweitägigen Parteitag sollen sie auf eine zweistellige Zahl eingedampft werden. Das Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder das Verhältnis zu Russland gelten als die größten Hürden für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis.
Strategisch geht es für die Linke aber auch um eine Abgrenzung gegen die Grünen, bei der sie glauben, Wählerstimmen abgreifen zu können - etwa durch eine konsequentere Sozialpolitik: 1.200 Euro soziale Mindestsicherung, eine 30-Stunden-Woche und einen bundesweiten Mietendeckel.
Linken-Spitzenduo spricht am Sonntag
Am Samstag wird Susanne Hennig-Wellsow den Parteitag eröffnen. Die Botschaft ihrer Rede soll die Botschaft der Geschlossenheit sein, heißt es aus der Partei. Am Sonntag dann stehen die Reden von Janine Wissler und Dietmar Bartsch auf dem Programm.
Janine Wissler - so ist zu hören - will die Schwerpunkte des Wahlprogramms zum Thema machen, Dietmar Bartsch will die Partei auf den Wahlkampf einstimmen - mit Attacken gegen die Union als zentralem politischen Gegner und der Abgrenzung gegenüber den politischen Konkurrenten, der SPD und mehr noch: den Grünen.
Andrea Maurer ist Korrespondentin im ZDF-Hauptstadtstudio. Der Autorin auf Twitter folgen: @an_maurer
- Wissler ruft zur Geschlossenheit auf
Nach dem eskalierten Streit im Saarland will Parteivorsitzende Wissler die Partei geeint wissen. Die Linke werde gebraucht, sagte sie im ZDF.