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Entmachteter Präsident Castillo:Warum es in Peru so viele Proteste gibt
17.12.2022 | 11:04
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Seit Tagen demonstrieren in Peru Menschen für Neuwahlen und ihren abgesetzten Präsidenten Castillo. Dahinter steckt das Gefühl, nicht von der Politik ernst genommen zu werden.
Die Wut über die Politik in Peru könnte kaum größer sein als in Andahuaylas. In dem abgelegenen Anden-Ort, in dem Reichtum ein Fremdwort ist, fühlen sich die Menschen übergangen wie seit langem nicht mehr. Ihr Protest hält an, ihre Stimme soll gehört werden. Sie fordern Neuwahlen und die Freilassung des abgesetzten Präsidenten Pedro Castillo, den sie im vergangenen Jahr mit ins Amt gewählt haben.
Für die, die im Kongress sitzen, gilt nur die Meinung der Peruaner, die Geld haben, der reichen Leute.
Raquel Quispe, Protestierende
Die Protestierenden wollen ernstgenommen werden in der Politik ihres Landes. Dem entmachteten Castillo wird vorgeworfen, eine Rebellion anzetteln zu wollen.
Hoffnungsträger in Untersuchungshaft: Pedro Castillo, gewählter Präsident Perus.
Quelle: reuters
Er hatte angekündigt, das Parlament auflösen zu wollen und Neuwahlen in den Raum gestellt. Daraufhin enthob ihn der Kongress seines Amtes. Der ehemalige Dorfschullehrer und Gewerkschafter war mit dem Versprechen sozialer Politik für die Ärmeren ins Amt gekommen und galt für weite Teile der Landbevölkerung als einer von ihnen. Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft.
Perus Provinz fühlt sich an den Rand gedrängt
"Sie machen, was sie wollen", protestiert Quispe mit Blick auf die Politiker ihres Landes.
Für sie zählen die Wählerstimmen der Provinz nicht, gelten als nutzlos. Aber das Votum der Menschen in Lima wird berücksichtigt. Das ist eine Ungerechtigkeit.
Raquel Quispe, Protestierende
Zusammen mit rund 3.000 anderen ist Quispe auf der Straße von Andahuayla, um ihren Protest kundzutun - und um von den jungen Männern Abschied zu nehmen, die bei den teils außer Kontrolle geratenen Demonstrationen am Wochenende zu Tode kamen. Einer der beiden ist Quispes Bruder: der 17-jährige Beckham Romário Quispe Garfias.
Bei Protesten quer durchs Land erschallt der Ruf nach Neuwahlen, nach einem Rücktritt von Dina Boluarte, die als bisherige Vize das Präsidentenamt übernommen hat, und nach einer Freilassung Castillos. Am lautesten ist der Ruf in den ländlichen Gemeinden, in denen der Rückhalt für den Politik-Aufsteiger aus einem armen Bergdistrikt in den Anden am größten ist.
Perus amtierende Präsidentin verhängt Ausnahmezustand
Zu Wochenbeginn signalisierte Vizepräsidentin Boluarte Entgegenkommen. In einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache kündigte sie an, dem Kongress einen Vorschlag zur Vorverlegung der nächsten Wahlen auf April 2024 zu übermitteln. Zuvor hatte sie erklärt, für die restlichen dreieinhalb Jahre der aktuellen Amtszeit Präsidentin bleiben zu wollen.
Dina Boluarte löste Pedro Castillo als Präsident von Peru ab.
Quelle: AP
Die 60-Jährige, zuvor Vizepräsidentin und Ministerin für Entwicklung und soziale Inklusion, war am 7. Dezember unmittelbar nach der Entmachtung Castillos als Nachfolgerin vereidigt worden. Sie verhängte den Ausnahmezustand über Gebiete außerhalb der Hauptstadt Limas, in denen es besonders gewaltsame Proteste gab.
Peru leidet unter Dürre und den Nachwehen der Corona-Nachwehen
Zur Ruhe ist Peru nicht gekommen. Das südamerikanische Land hatte in den letzten sechs Jahren sechs Präsidenten. Im Jahr 2020 waren es sogar drei innerhalb einer Woche. Tausende kleine Bauernhöfe in den Anden haben mit der schlimmsten Dürre seit einem halben Jahrhundert zu kämpfen. Und die Corona-Pandemie hat auch in Peru ihren Tribut gefordert.
Castillos Anhängerschaft hatte gehofft, dass der Ex-Gewerkschafter im Präsidentenamt etwas bewegen würde. Doch in seiner 17-monatigen Amtszeit konnte Castillo kein einziges wichtiges Projekt verwirklichen und sah sich selbst mit der Diskriminierung konfrontiert, die auch seine Anhänger in den armen Bevölkerungsschichten beklagen.
Quelle: Franklin Briceño und Regina Garcia Cano, AP
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