Die Lecks in den Nord-Stream-Pipelines zeigen, wie verwundbar kritische Infrastruktur im Meer ist. Lässt sie sich überhaupt schützen? Maritim-Experte Peters mit Einschätzungen.
Angesichts der möglichen Sabotage reagiert man in Deutschland alarmiert. Wie geschützt sind solche Leitungen?
Seit Montag tritt an den Rohren der Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 an drei Stellen nahe der dänischen Insel Bornholm Gas aus. Die Bundesregierung teilte heute Mittag mit, man habe "keine Anhaltspunkte, dass es eine natürliche Ursache" für die Lecks gebe. Man geht - ähnlich wie in Polen, Schweden, und Dänemark - von Sabotage aus. Sabotage, die für die, nach ersten Erkenntnissen, nur ein staatlicher Akteur infrage komme, hießt es aus Sicherheitskreisen.
Dieser Vermutung schließt sich auch Johannes Peters, Leiter der Abteilung Maritime Strategie und Sicherheit am Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, an. Wer immer den Angriff durchgeführt hat, habe sehr genau darauf geachtet, keinen Staat direkt anzugreifen. Alle Lecks in den Pipelines liegen in internationalen Gewässern.
Wer hätte was davon, diese Sabotage auszuführen und gibt es Spuren zu Tätern? Das lesen Sie hier:
- Was wir zu den Nord-Stream-Lecks wissen
Mittlerweile sind sich die meisten Experten einig: Bei den Lecks an den Nord-Stream-Pipelines handelt es sich um Sabotage. Trotzdem gibt es viele Fragen - und einige Antworten.
Die Bedeutung des Zeitpunkts der Gas-Lecks
Die Lecks in den beiden Pipelines passieren zu einem energiepolitisch wichtigen Zeitpunkt. Am Dienstag wurde die Gasleitung Baltic Pipe eröffnet, die Erdgas aus Norwegen über Dänemark nach Polen bringen soll. Sie hat eine Kapazität von jährlich zehn Milliarden Kubikmetern Gas und soll Polen unabhängig von Lieferungen aus Russland machen. Die Baltic Pipe kreuzt die beiden Nord-Stream-Pipelines und gerade das Leck in Nord Steam 2 ist dem Verlauf der neuen Leitung sehr nah. Ob auch diese Pipeline sabotiert wurde, sei aktuell unklar, so Peters.
Die Lecks in den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 verdeutlichen, dass Versorgungs- und auch Datenleitungen Ziel von Angriffen sein könnten, so ZDF-Korrespondent Florian Neuhann.
Wie sind Pipelines und Unterseekabel geschützt?
Die ganze Welt ist stark abhängig von unterseeischer Infrastruktur, vor allen Dingen Kabeln, durch die das Internet fließt, aber auch Energietransportnetze wie Pipelines für Gas und Öl.
Beim Bau und der Verlegung von Unterseekabeln und Pipelines stehe die Betriebssicherheit im Mittelpunkt und Maßnahmen oder Schutzkonzepte gegen Angriffe seien in der Regel nicht vorgesehen. Das liege auch daran, dass die Projekte meist nicht von Staaten durchgeführt würden, sondern von privatwirtschaftlichen Unternehmen, die dann auch für die Sicherheit zuständig seien.
Doch selbst wenn man die Kabel und Pipelines zur kritischen Infrastruktur erkläre, sei es juristisch nicht einfach, wie das in internationalen Gewässern geregelt sein könnte.
Pipeline-Lecks: Experte Umbach erklärt Zusammenhänge und Folgen:
Technische Umsetzbarkeit kompliziert
Die norwegische Regierung hat nach der Entdeckung der Lecks die Sicherheitsvorkehrungen an den eigenen Ölanlagen verstärkt. Norwegen ist wegen der ausbleibenden russischen Energielieferungen zum mittlerweile wichtigsten Gaslieferanten für Europa aufgestiegen. Experten halten auch dieses großes Pipelinenetz für anfällig für Sabotage.
Trotzdem sei es auch technisch schwierig, Pipelines und Unterseekabel flächendeckend zu schützen, meint Peters. Nord Stream 1 hat eine Länge von 1.224 Kilometern. Unterseekabel zwischen den USA und Europa sind fast 6.000 Kilometer lang. Mit Sensoren könne man zwar Bereiche überwachen, Sabotageakte seien aber extrem schwer zu verhindern.
Die Lecks werfen auch grundsätzliche Fragen zur Sicherheit der Energie-Infrastruktur auf:
Welchen Schutz kann es trotzdem geben?
Da man sich vor Angriffen auf diese Art Infrastruktur nur schwer schützen kann, plädiert Peters für ein anderes Schutzkonzept: Zum einen sei es wichtig, seine Energieversorgung zu diversifizieren, also mehrere Quellen zu haben und nicht von einem Lieferanten abhängig zu sein.
Außerdem sei gesellschaftliche Resilienz wichtig. Ähnlich wie in der Corona-Pandemie müsse sich die Bevölkerung auf derartige Probleme einstellen und Vorsorge treffen, damit im Fall eines Anschlags oder einer Sabotage, die Auswirkungen abgefedert werden können.
Aktuelle Meldungen zu Russlands Angriff auf die Ukraine finden Sie jederzeit in unserem Liveblog:
- Aktuelles zum Krieg in der Ukraine
Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.